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Fachverlag und Nachrichtenagentur

Prostatic Artery Embolization (PAE): Was ist dran an der Embolisation der Prostataarterien zur Behandlung der benignen Prostatavergrösserung?

Abstract:
Die Embolisation der Prostataarterien (Prostatic Artery Embolization; PAE) wird weltweit zunehmend angewendet. Auch in der Schweiz wird diese Behandlung teilweise relativ unkritisch angeboten. Dabei liegen bislang kaum Daten vor, welche die Anwendung dieser Therapie ausserhalb klinischer Studien rechtfertigen würden. Eine randomisierte Studie am Kantonsspital St. Gallen soll dabei helfen, den Stellenwert der Methode und ihre optimale Indikation genauer zu beleuchten.

Hintergrund
Während die transurethrale Resektion der Prostata (TUR-P) nach wie vor den Goldstandard in der chirurgischen Behandlung der benignen Prostatavergrößerung (BPE) bei Prostatavolumina von 30–80 ml darstellt, wird bei kleineren Prostatae eine transurethrale Inzision (TUI-P), bei größeren eine Enukleation – offen oder mittels Laser (HoLEP) – empfohlen.1 Diese Empfehlungen basieren auf einer ausgezeichneten Evidenz und die Methoden haben sich über Jahrzehnte hinweg bewährt.
Die PAE wurde dagegen erst unlängst als minimalinvasive Therapiealternative bei der BPE beschrieben. Trotz mangelnder Evidenz und fehlendem Wissen insbesondere über Nachhaltigkeit und ideale Indikation, wird die PAE auch in der Schweiz bereits von verschiedenen Institutionen angeboten.

Aktuelle Evidenz zur PAE
Die PAE wurde bereits 1979 zur Blutstillung bei therapierefraktärer Makrohämaturie beschrieben2, über eine gezielte Behandlung der BPE wurde jedoch erst im Jahr 2000 berichtet.3 Im Folgenden wurden verschiedene Fallserien publiziert, in welchen die PAE als vielversprechende und sichere Behandlung beschrieben wurde.
Im Rahmen eines systematischen Reviews mussten Schreuder et al.4 2014 acht der neun eingeschlossenen Studien eine mangelhafte Qualität bescheinigen. Die verbleibende Studie mit akzeptabler Qualität stellt lediglich einen Vergleich von Embolisationspartikeln verschiedener Größe dar. Seither wurden neben einigen weiteren Fallserien lediglich zwei randomisierte Vergleichsstudien (PAE vs. TUR-P) publiziert.5,6 Dabei wurde die chinesische Studie von Gao et al. sehr scharf für unrealistisch gute Ergebnisse der PAE (verglichen mit allen bisherigen Daten) und ein offensichtliches Under-Reporting von Adverse Events kritisiert7, während die Arbeit von Carnevale et al. nur vorläufige Daten liefert und deutliche methodologische und statistische Mängel aufweist.
Neben den grundsätzlichen methodologischen Schwächen, müssen in den bisherigen Studien verschiedene weitere Faktoren bemängelt werden: Überlappung der Patientendaten der verschiedenen Studien, intransparente Ein- und Ausschlusskriterien mit teils inhomogenen Patientenkollektiven und mitunter fraglicher Indikation für eine invasive Behandlung, mangelhafte Daten zum Langzeiteffekt der PAE, sehr hohe Drop-out-Raten in den Verlaufskontrollen mit hoher Wahrscheinlichkeit von Attrition-Bias und unsystematische Erfassung von Komplikationen.

Somit erscheint der Stellenwert der PAE nach wie vor völlig unklar. Zu einer konklusiven Beurteilung der Methode fehlen insbesondere randomisierte Vergleichsstudien mit etablierten Standardverfahren zur Behandlung der BPE, ein Umstand der wohl insbesondere der Ausführung beider Methoden durch verschiedene Fachdisziplinen geschuldet sein dürfte.

Studie am KSSG
An den Kliniken für Urologie und interventionelle Radiologie des Kantonsspitals St. Gallen wird daher aktuell eine prospektive, randomisierte Non-Inferiority-Studie zum Vergleich von TUR-P und PAE durchgeführt (NCT02054013).8 Als primärer Endpunkt wurde die Veränderung des IPSS 3 Monate postinterventionell definiert. Daneben werden zahlreiche weitere Parameter (Uroflowmetrie, Restharnbestimmung, Labor, Fragebögen, Miktionsprotokoll, Adverse Events) als sekundäre Endpunkte in regelmäßigen Kontrollen bis 5 Jahre nach durchgeführter Intervention erfasst. Durch die Durchführung multiparametrischer pelviner MRIs und urodynamischer Untersuchungen vor sowie 3 und 24 Monate nach Intervention sollen zudem die Therapieeffekte genauer evaluiert werden. Eine hohe Studienqualität ist zudem durch ein externes Datenmanagement und Trial-Monitoring gewährleistet.

Erste Erfahrungen
Zum aktuellen Zeitpunkt wurden 80 von 100 geplanten Patienten in die Studie eingeschlossen. Die PAE erscheint technisch anspruchsvoll (Abb. 1), ihr Sicherheitsprofil jedoch günstig zu sein.

So kam es bisher unmittelbar nach der Behandlung bei einigen Patienten zu passageren und gut therapierbaren Schmerzen im Bereich der Prostata. Ein Patient berichtete trotz hochselektiver Embolisierung von einer postinterventionellen erektilen Dysfunktion. Drei Monate nach PAE fand sich bei einem Patienten im MRI als Zufallsbefund ein kleines ischämisches Areal am Blasenboden im Sinne einer Fehlembolisation, welche jedoch keiner Behandlung bedurfte. Bemerkenswerterweise zeigen Patienten mit gutem Ansprechen auf die PAE regelmässig eine retrograde Ejakulation, ein Umstand der bisher noch nie berichtet wurde.

Eine Zwischenauswertung einiger Schlüsselparameter nach Einschluss von 46 Patienten, wobei 34 den primären Endpunkt erreicht hatten, zeigte vergleichbare subjektive Ergebnisse (IPSS, QoL) von TUR-P und PAE. Dagegen erschien die TUR-P bei den funktionellen Miktionsparametern überlegen. Die ersten Patienten im PAE-Arm der Studie berichteten auch im mittelfristigen Verlauf (Follow-up bisher maximal 2 Jahre) von einer anhaltend guten Wirksamkeit der Therapie, was sich in den durchgeführten MRIs nachvollziehen liess (Abb. 2).

Nach PAE finden sich klinisch mäßige bis hin zu hervorragenden Verläufen. Durch Sub-Gruppen-Analysen und eine Stratifizierung der Randomisierung nach Patientenalter und Prostatagröße sollen diejenigen Patientenmerkmale herausgefiltert werden, die für günstige Embolisationsergebnisse sprechen. Ausreichend gepowerte Daten erwarten wir 2017.

Fazit
Die PAE hat sich in den bisherigen Studien als vielversprechende Therapieoption bei der BPE erwiesen.
Die vorhandenen Daten deuten auf ein vergleichbares subjektive Outcome (IPSS, QoL) bei Überlegenheit der TUR-P bzgl. funktioneller Miktionsparameter hin.
Es existieren jedoch bislang keine verlässlichen Daten zu Wirksamkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit der Methode.
Die PAE sollte unserer Meinung nach daher aktuell ausschliesslich im Rahmen gut organisierter Studien angeboten werden.
In unserem eigenen Patientenkollektiv hat sich die PAE bislang als technisch schwierig, jedoch wirksam und ausreichend sicher erwiesen.
Das Ansprechen auf die Behandlung variiert teilweise erheblich, wobei es Prädiktoren auf ein gutes Ansprechen herauszuarbeiten gilt.
Die PAE erscheint uns in Zukunft weniger eine Konkurrenz zu etablierten Verfahren darzustellen, als eine minimalinvasive Alternative in gut selektionierten Patienten.

Dominik Abt1, Gautier Müllhaupt1,
Lukas Hechelhammer2,Thomas M. Kessler3, Hans-Peter Schmid1, Daniel S. Engeler1,
Livio Mordasini1

1Klinik für Urologie, Kantonsspital St. Gallen
2Klinik für Radiologie, Kantonsspital St. Gallen
3Abteilung für Neuro-Urologie, Universitätsklinik Balgrist, Zürich

Korrespondenz:
Dr. med. Dominik Abt
Oberarzt
Klinik für Urologie
Kantonsspital St. Gallen
E-Mail: dominik01.abt@kssg.ch

 

Literatur:

(1) Gravas S et al., Guidelines on the Management of Non-Neurogenic Male Lower Urinary Tract Symptoms
(LUTS), incl. Benign Prostatic Obstruction (BPO). European Association of Urology 2014
(2) Lang EK et al., J Urol 1979; 121(1):30–36

(3) DeMeritt JS et al., J Vasc Interv Radiol 2000; 11(6):767–770

(4) Schreuder SM et al., Cardiovasc Intervent Radiol 2014; 37(5):1198–219
(5) Gao YA et al., Radiology 2014; 270(3):920–28
(6) Carnevale FC et al., Cardiovasc Intervent Radiol 2016; 39(1):44–52

(7) Bilhim T et al., Radiology 2015; 276(1):310–11

(8) Abt D et al., BMC Urol 2014; 14:94