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Fachverlag und Nachrichtenagentur

Umfassende Auswertung des Netzwerks italienischer Krebsregister zu seltenen Krebsarten

Italien – mechentel news – Diese Gemeinschaftsstudie zahlreicher Autoren um Susanna Busco vom Netzwerk der italienischen Krebsregister (Associazione Italiana Regestri Tumori, AIRTUM) beschreibt auf Grundlage der Daten dieses Netzwerks die Belastung durch seltene Krebserkrankungen in Italien. Sie liefert für etwa 200 verschiedene Krebsarten die geschätzte Anzahl neu diagnostizierter seltener Krebserkrankungen jährlich (Inzidenz), den Anteil der Patienten, die nach der Diagnose leben (Survival) und die geschätzte Anzahl der Menschen, die nach einer neuen Krebsdiagnose noch leben (Prävalenz). Die ausgewerteten Daten werden von den populationsbasierten Krebsregistern geliefert, die heutzutage 52 % der italienischen Bevölkerung abdecken. Die hier zusammengefasste Monographie verwendet die AIRTUM Datenbank (Januar 2015), welche alle zwischen 1976 und 2010 diagnostizierten bösartigen Tumorerkrankungen beinhaltet. Alle Fälle sind gemäss der International Classification of Diseases for Oncology (ICD-O-3) kodiert. Die Daten werden standardisierten Qualitätsüberprüfungen unterzogen (beschrieben im ATRIUM Data Management Protokoll) und werden mit den spezifischen Qualitätsindikatoren für seltene Krebserkrankungen, vorgeschlagen und veröffentlicht von RARECARE und HAEMACARE (www.rarecarenet.eu; www.haemacare.eu), verglichen. Die durch das RARECAREnet-Projekt „Information Network on Rare Cancers“ vorgeschlagene Definition und Liste seltener Krebserkrankungen wurde übernommen: Seltene Krebserkrankungen sind Krebsarten (definiert als eine Kombination von topographischen und morphologischen Codes der ICD-O-3) mit einer Inzidenzrate von weniger als 6 auf 100.000 in der europäischen Bevölkerung pro Jahr.

Die Monografie präsentiert 198 seltene Krebserkrankungen, eingeteilt in 14 Hauptgruppen. Die rohen Daten der Inzidenzraten wurden als die Anzahl aller neuen Krebserkrankungen geschätzt, die zwischen 2000 und 2010 auftraten, aufgeteilt nach der Risiko-Gesamtbevölkerung für Männer und Frauen (auch für geschlechtsspezifische Tumoren). Der Anteil der seltenen an der Gesamtzahl der Krebserkrankungen (selten und häufig) je Lokalisation wurde ebenfalls berechnet. Über die Inzidenzraten wird alters- und geschlechtsabhängig berichtet. Die zu erwartende Anzahl an Neuerkrankungen im Jahr 2015 in Italien wurde unter der Annahme geschätzt, dass die Inzidenz die gleiche wie die im AIRTUM-Bereich ist. Die Schätzungen der relativen 1- und 5-Jahres-Überlebensraten der Erkrankungen im Alter von 0 – 99 Jahren, diagnostiziert zwischen 2000 und 2008 in der AIRTUM-Datenbank und nachbeobachtet bis 31. Dezember 2009, wurden mittels vollständiger Kohortenüberlebensanalysen berechnet. Um die beobachtete Prävalenz in Italien abzuschätzen, wurden Inzidenz- und Nachbeobachtungsdaten aus 11 Krebsregistern aus dem Zeitraum 1992 bis 2006 genutzt, mit einem Prävalenz-Indexdatum am 1. Januar 2007. Die beobachtete Prävalenz in der allgemeinen Bevölkerung wurde über den Zeitraum vor dem Referenzdatum herausgelöst (≤ 2 Jahre, 2 – 5 Jahre, ≤ 15 Jahre). Um den vollständigen Prävalenzanteil am 1. Januar 2007 in Italien zu berechnen, wurde die in 15 Jahren beobachtete Prävalenz um den Vollständigkeitsindex korrigiert, um jene Krebsüberlebenden zu berücksichtigen, bei denen vor der Aktivität der Krebsregister die Diagnose gestellt wurde. Der Vollständigkeitsindex je Krebsart und Alter wurde unter Verwendung der verfügbaren Inzidenz- und Überlebensdaten des Europäischen RARECAREnet mittels statistischer Regressionsmodelle ermittelt.
Insgesamt wurden 339.403 Tumoren in der Inzidenzanalysen einbezogen. Die jährliche Inzidenzrate (IR) aller 198 seltenen Krebserkrankungen im Zeitraum 2000 bis 2010 betrug 147 auf 100.000 pro Jahr, was etwa 89.000 Neuerkrankungen jedes Jahr in Italien entspricht und 25 % aller Krebserkrankungen ausmacht. Fünf Krebsarten, die auf gesamteuropäischer Ebene selten sind, sind in Italien nicht selten, da ihre IR über 6 auf 100.000 lag; diese Tumore waren: diffuses grosszelliges B-Zell-Lymphom und Plattenepithelkarzinom des Larynx (deren IR in Italien bei 7 auf 100.000 lagen), Multiples Myelom (IR: 8 auf 100.000), hepatozelluläres Karzinom (IR: 9 auf 100.000) und Schilddrüsenkarzinom (IR: 14 auf 100.000). Von den verbleibenden 193 seltenen Krebserkrankungen wiesen mehr als zwei Drittel (n = 139) eine jährliche IR von < 0,5 auf 100.000 auf, was sich auf etwa 7.100 neue Krebsfälle summierte. Bei 25 Krebsarten lag die IR zwischen 0,5 und 1 auf 100.000, was etwa 10.000 Neudiagnosen entspricht, und für 29 Krebsarten lag die IR zwischen 1 und 6 auf 100.000, was etwa 41.000 neue Krebsfälle bedeutete. Unter all diesen in Italien diagnostizierten seltenen Krebserkrankungen waren 7 % seltene hämatologische Erkrankungen (IR: 41 auf 100.000), 18 % waren seltene solide Tumoren. Unter letzteren waren die seltenen epithelialen Tumoren des Verdauungssystems die häufigsten (23 %; IR: 26 auf 100.000), gefolgt von den epithelialen Tumoren des Kopfes und des Halses (17 %; IR: 19) und seltenen Karzinomen der weiblichen Genitalorgane (17 %; IR: 17), endokrinen Tumoren (13 % einschliesslich Schilddrüsenkarzinomen und unter 1% mit einer IR von 0,4 ohne die Schilddrüsenkarzinome), Sarkomen (8 %; IR: 9 auf 100.000), Tumoren des zentralen Nervensystems und seltenen epithelialen Tumoren der Brusthöhle (5 % entsprechend einer IR von 6 beziehungsweise 5 auf 100.000). Die verbleibenden machten jeweils < 4 % aller soliden Karzinome aus (seltene männliche Genitaltumoren, IR: 4 auf 100.000; Tumoren des Auges, IR: 0,7 auf 100.000; neuroendokrinen Tumoren, IR: 4 auf 100.000; embryonale Tumoren, IR: 0,4 auf 100.000; seltene Hauttumoren und malignes Melanom der Schleimhäute, IR: 0,8 auf 100.000). Patienten mit seltenen Krebsarten waren im Durchschnitt jünger als diejenigen mit häufigen Krebsarten. Im Wesentlichen waren alle Krebserkrankungen im Kindesalter selten, während nach dem 40. Lebensjahr die häufigen Krebserkrankungen (Brust, Prostata, Kolon, Rektum und Lunge) zunehmend häufiger wurden. Für 254.821 seltene Krebserkrankungen, die zwischen 2000 und 2008 diagnostiziert wurden, betrug die 5-Jahres-Überlebensrate im Durchschnitt 55 % und war damit niedriger als bei Patienten mit häufigen Krebserkrankungen (68 %). Die Überlebensrate war im ersten Jahr für seltene Krebserkrankungen niedriger als für häufige und verlief für drei Jahre divergierend zu den häufigen Tumoren, der Unterschied blieb dann vom 3. bis zum 5. Jahr nach Diagnose konstant. Für seltene und häufige Krebserkrankungen sank das Überleben mit zunehmendem Alter. Die 5-Jahres-Überlebensrate war ähnlich und hoch sowohl für seltene als auch häufige Tumoren bis zum 54. Lebensjahr; sie nahm mit dem Alter, insbesondere nach dem 54. Lebensjahr, ab. Die Älteren (75+ Jahre) hatten ein um 37 % und 20 % niedrigeres Überleben für seltene beziehungsweise häufige Krebserkrankungen als jene im Alter von 55 bis 64 Jahren. Die Schätzung ging von etwa 900.000 Menschen in Italien im Jahr 2010 aus, bei denen zuvor die Diagnose einer seltenen Krebserkrankung gestellt worden war (Prävalenz). Die höchste Prävalenz wurde für seltene hämatologische Erkrankungen (278 auf 100.000) und seltene Tumoren der weiblichen Genitalorgane (265 auf 100.000) beobachtet. Eine sehr niedrige Prävalenz (< 10 auf 100.000) wurde für seltene epitheliale Hautkrebserkrankungen, für seltene epitheliale Tumoren des Verdauungssystems und für seltene epithelialen Tumoren der Brusthöhle beobachtet.

Die Autoren fassen in der Januar/Februar-Ausgabe 2016 der Fachpublikation Epidemiologia & Prevenzione ihre umfangreichen Daten wie folgt zusammen: Eine von vier in Italien diagnostizierten Krebserkrankungen ist in Übereinstimmung mit geschätzten 24 % in Gesamteuropa eine seltene Krebserkrankung. In Italien schliesst die Gruppe aller seltenen Krebserkrankungen 5 Krebstypen mit einer IR von > 6 auf 100.000 ein, insbesondere den Schilddrüsenkrebs (IR: 14 auf 100.000). Bei Ausschluss des Schilddrüsenkarzinoms aus den seltenen Krebserkrankungen reduziert sich ihr Anteil in Italien im Jahr 2010 auf 22 %. Unterschiede in der Inzidenz zwischen Populationen können auf der unterschiedlichen Verteilung von Risikofaktoren (zum Beispiel durch Umwelt, Lebensstil, beruflich oder genetisch), auf unterschiedlich intensiver diagnostischer Aktivität wie auch unterschiedlicher diagnostischer Kapazität beruhen. Darüber hinaus mögen Unterschiede in der Genauigkeit der Datenerhebung einige leichtere Differenzen in der Anzahl seltener Krebserkrankungen ausmachen. Seltene Krebserkrankungen hatten 1, 3 und 5 Jahren nach der Diagnose eine schlechtere Prognose als häufige Krebsarten. Die Unterschiede zwischen seltenen und häufigen Krebsarten waren ein Jahr nach der Diagnose gering, aber das Überleben nahm bei seltenen Krebsarten anschliessend ausgeprägter ab, was mit der Vorstellung übereinstimmt, dass Therapien seltener Krebsarten weniger effektiv sind als Behandlungen häufiger Krebsarten. Allerdings können Unterschiede des Stadiums bei Diagnosestellung nicht ausgeschlossenen werden, da die 1- und 3-Jahres Überlebensraten für seltene Krebsarten niedriger lagen als die entsprechenden Angaben für häufige Arten. Ausserdem gehören zu den seltenen Krebserkrankungen viele Krebsarten mit einer schlechten Prognose (5-Jahres-Überleben < 50 %): Krebs des Kopfes und des Halses, der Speiseröhre, des Dünndarms, des Eierstocks und des Gehirns, der Gallenwege, Leber und Pleura, multiples Myelom, akute myeloische und lymphatische Leukämie; im Gegensatz dazu stehen die häufigen Erkrankungen durch Brust- und Prostatakarzinom sowie durch kolorektale Karzinome, die eine gute Prognose aufweisen. Die hohe Prävalenz, welche für seltene hämatologische Erkrankungen und seltene Tumoren des weiblichen Genitalsystem beobachtet wurden, erklärt sich durch die hohe Inzidenz (die Mehrheit der hämatologischen Erkrankungen sind selten und gynäkologische Krebsarten summierten sich zu recht hohen Inzidenzraten) und relativ gute Prognose. Die niedrige Prävalenz seltener epithelialer Tumoren des Verdauungstraktes war der niedrigen Überlebensrate für die Mehrzahl der in dieser Gruppe zusammengefassten Tumoren geschuldet (Speiseröhre, Magen, Dünndarm, Bauchspeicheldrüse und Leber), ungeachtet der hohen Inzidenzrate seltener epithelialer Krebsarten dieser Lokalisationen.

Für die Autoren bestätigt diese AIRTUM-Auswertung, dass die seltenen Krebsarten ein grosses Problem der öffentlichen Gesundheit in Italien darstellen und liefert zum ersten Mal in Italien quantitative Schätzungen zu diesem seit längerem bekannten Problemfeld. Die Monographie liefert detaillierte demografische Indikatoren für annähernd 200 selten Krebsarten, von denen die Mehrheit (72 %) sehr selten sind (IR < 0,5 auf 100.000). Diese Daten sind von grossem Interesse für die verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen. In ihnen können nützliche Informationen für Planungen und für Gedanken zu einer Neuorganisation der Angebote des Gesundheitswesens enthalten sein. Forschern liegen nun Zahlen vor, um unter Berücksichtigung alternativer Studiendesigns und statistischer Herangehensweisen, neue klinische Studien zu entwickeln. Populationsbasierte Krebsregister von guter Datenqualität sind die beste Quelle für Informationen, um die Belastungen durch seltene Krebsarten in einer Bevölkerung zu beschreiben. (bs)

Autoren: Busco S, Buzzoni C, Mallone S, Trama A, Castaing M, Bella F, Amodio R, Bizzoco S, Cassetti T, Cirilli C, Cusimano R, De Angelis R, Fusco M,Gatta G, Gennaro V, Giacomin A, Giorgi Rossi P, Mangone L, Mannino S, Rossi S, Pierannunzio D, Tavilla A, Tognazzo S, Tumino R, Vicentini M, Vitale MF, Crocetti E, DalMaso L; AIRTUM Working Group. Korrespondenz: Susanna Busco, Registro tumori di Latina. E-Mail: info(at)registri-tumori.it. Studie: Italian cancer figures – Report 2015: The burden of rare cancers in Italy. Quelle: Epidemiol Prev. 2016 Jan-Feb;40(1 Suppl 2):1-120. Web: http://www.epiprev.it/pubblicazione/epidemiol-prev-2016-40-1-suppl2.

Neue Perspektiven für antihormonelle Therapie des Prostata-Ca durch Forschungsergebnisse zu BAY 1024767

Berlin – mechentel news – Bei Patienten mit Prostata-Karzinom, die eine Resistenz gegenüber antihormonellen Therapien entwickeln, treten Mutationen des Androgenrezeptors (AR) auf. Die Autoren um Tatsuo Sugawara von der Global Drug Discovery der Bayer Pharma AG in Berlin, Deutschland, beschreiben in dieser Arbeit BAY 1024767, ein Thiohydantoin-Derivat mit starker antagonistischer Aktivität gegenüber neun AR-Varianten mit Mutationen in der AR-Liganden-Bindungszone und gegenüber dem AR Wildtyp. Der Antagonismus war anhaltend, wenn auch bei erhöhten Androgenspiegeln reduziert. Antitumoröse Aktivität war in vivo im KuCaP-1 Prostatakarzinom-Modell, welches die W741C-Bicalutamidresistenz-Mutation trägt, und im gen-identischen Prostatakrebs-Rattenmodell Dunning R3327-G nachweisbar. Die Prävalenz von sechs ausgewählten AR-Mutationen wurde in Plasma-DNA von 100 resistenten Patienten bestimmt und betrug mindestens 12 %. Zusammenfassend zeigen diese Ergebnisse, wie die Auoren im Januar 2016 beim Fachjournal Oncotarget elektronisch publizierten, dass BAY 1024767 ein starker Antagonist gegenüber verschiedenen AR-Mutationen ist, die mit Therapieresistenz in Verbindung stehen, was die Tür für eine nächste Generation von Präparaten eröffne, die Patienten je nach ihrem Mutationsprofil zugutekommen könnten. (bs)

Autoren: Sugawara T, Lejeune P, Köhr S, Neuhaus R, Faus H, Gelato KA, Busemann M, Cleve A, Lücking U, von Nussbaum F, Brands M, Mumberg D, Jung K, Stephan C, Haendler B. Korrespondenz: Global Drug Discovery, Bayer Pharma AG, Berlin, Germany. E-Mail: bernard.haendler@bayer.com. Studie: BAY 1024767 blocks androgen receptor mutants found in castration-resistant prostate cancer patients. Quelle: Oncotarget. 2016 Jan 9. doi: 10.18632/oncotarget.6864. [Epub ahead of print] Web: http://www.impactjournals.com/oncotarget/index.php?journal=oncotarget&page=article&op=view&path[]=6864.