
Neue Entwicklungen in der Therapie des Urothelkarzinoms: FGFR-Hemmung und lokale Verabreichung
UROTHELIAL CANCER Tampa – Zielgerichtete Therapien gegen onkogene Treibermutationen haben sich unter anderem bei der Behandlung von chronisch-myeloischer Leukämie mit BCR-ABL-Fusion, EGFR-mutiertem Lungenkrebs und Brustkrebs mit HER2-Amplifikation bewährt. Anfang 2024 hat die FDA Erdafitinib zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen und metastasierten Urothelkarzinoms mit Mutationen des Fibroblast Growth Factor Receptor 3 (FGFR3) zugelassen. Die Zulassung hat in der urologischen Fachwelt zu einem erhöhten Bewusstsein für FGFR3-Mutationen und deren Rolle beim Urothelkarzinom geführt. Die folgend vorgestellte Übersichtsarbeit eines internationalen Autorenteams um Roger Li vom Department of Genitourinary Oncology am H. Lee Moffitt Cancer Center in Tampa, Florida, Vereinigte Staaten, fasst den aktuellen Wissensstand über die Eigenschaften und Funktionen von FGFR3 sowie deren prognostische Rolle und therapeutische Zielstrategien zusammen. FGFR ist ein Tyrosinkinase-Rezeptor, welcher in vier Typen (FGFR 1-4) vorkommt. Bei Krebs fördert eine FGFR-Dysregulation die Proliferation und das Überleben von Krebszellen sowie die Entwicklung von Resistenzen. Da FGFR in nichtmalignen Zellen nicht konstitutiv aktiv ist, stellen sie optimale Ziele für eine Hemmung in der Krebstherapie dar. Beim Urothelkarzinom treten aktivierende Mutationen am häufigsten im FGFR3-Gen auf. Beim low-grade (LG) nicht-muskelinvasiven Blasenkrebs (NMIBC) kann in 70% der Fälle eine FGFR3-Mutation nachgewiesen werden. Im Gegensatz dazu findet sich beim muskelinvasiven Harnblasenkrebs (MIBC) nur in 10 bis 15% der Fälle eine FGFR3-Mutation. FGFR3-Veränderungen können in Vorstufen des Urothelkarzinoms nachgewiesen werden, so dass davon auszugehen ist, dass die Mutation in der frühen Onkogenese eine Rolle spielt. Die Aktivierung des FGFR3-Pathway führt zu einer Suppression des PD-L1-Spiegels in Tumorzellen. Generell scheint FGFR3 ein immunsuppressives Tumormikromilieu zu schaffen. In der Auswertung zweier Studien (Checkmate275, IMVigor210) waren FGFR3-veränderte Tumoren jedoch nicht mit einem schlechteren Ansprechen auf eine ICI-Therapie assoziiert. Im Gegensatz dazu zeigte eine post-hoc-Biomarkeranalyse der JAVELIN Bladder 100-Studie eine schlechtere Überlebensrate für Patienten mit FGFR3-veränderten Tumoren, die mit Avelumab in der Switch-Maintenance-Einstellung behandelt wurden. Weitere Studien sind erforderlich, um zu klären, ob FGFR3-Veränderungen zur Vorhersage des Ansprechens auf ICI-Therapien verwendet werden können. Erdafitinib ist ein Pan-FGFR-Inhibitor (FGFR 1-4), spezifische FGFR3-Inhibitoren befinden sich derzeit in der präklinischen Entwicklung. In der THOR-1 Studie zeigte Erdafitinib bei vorbehandelten Patienten einen Gesamtüberlebensvorteil gegenüber einer Chemotherapie (OS 12,1 vs. 7,8 Monate; p = 0,005). Im Rahmen des NMIBC zeigte die THOR-2-Studie bei BCG-exponierten Patienten mit papillärer high-risk Erkrankung eine Überlegenheit von Erdafitinib gegenüber einer intravesikalen Chemotherapie (rezidivfreies Überleben 16,9 vs. 11,6 Monate; p < 0,001), wobei die Studie aufgrund schleppender Rekrutierung vorzeitig beendet wurde. Im Gegensatz zu früheren Studien im metastasierten und lokal fortgeschrittenen Setting zeigt die THOR-2-Studie ein ungünstigeres Toxizitätsprofil mit 29% Therapieabbrüchen in der Erdafitinib-Gruppe. Möglicherweise kann die systemische Toxizität durch lokale Verabreichungsmechanismen wie das TAR-210-System reduziert werden. TAR-210 wird intravesikal eingebracht und führt zu einer kontinuierlichen Freisetzung von Erdafitinib in der Harnblase. Die Autoren berichten in der elektronischen Vorabveröffentlichung beim Fachjournal EUROPEAN UROLOGY im September 2024, dass TAR-210 in einer Phase-I-Studie vielversprechende Ergebnisse zeigte. Die Validierung der Ergebnisse erfolgt im Rahmen der laufenden Phase-3 Studie MoonRISe-1. (fa)
Autoren: Li R, Linscott J, Catto JWF, Daneshmand S, Faltas BM, Kamat AM, Meeks JJ, Necchi A, Pradere B, Ross JS, van der Heijden MS, van Rhijn BWG, Loriot Y. Korrespondenz: Roger Li, Department of Genitourinary Oncology, H. Lee Moffitt Cancer Center & Research Institute, 12901 USF Magnolia Drive, Tampa, FL 33612, USA. E-Mail: roger.li@moffitt.org Studie: FGFR Inhibition in Urothelial Carcinoma. Quelle: Eur Urol. 2024 Sep 30:S0302-2838(24)02605-8. doi: 10.1016/j.eururo.2024.09.012. Epub ahead of print. PMID: 39353825. Web: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0302283824026058
KOMMENTAR Mit dem zunehmenden Verständnis der molekularen Grundlagen der FGFR-gesteuerten Onkogenese und innovativen Plattformen zur Verabreichung von Medikamenten stehen wir möglicherweise am Beginn einer Präzisionsonkologie des Urothelkarzinoms.
Autor: Dr. med. Fabian Aschwanden, Assistenzarzt Luzerner Kantonsspital