
Gezielteres Prostatakrebs-Screening durch polygenen Risiko-Score aus Speichel-DNA
PROSTATE CANCER London – Das BARCODE1-Screeningprogramm zielte darauf ab, den Nutzen eines polygenen Risiko-Scores (polygenic risk score, PRS) zur Identifikation von Männern mit hohem genetischem Risiko für klinisch signifikanten Prostatakrebs (csPCa, definiert als Gleason-Score ≥ 7) zu evaluieren. Die prospektive bevölkerungsbasierte Studie wurde in Grossbritannien durchgeführt und analysierte die Keimbahn-DNA aus Speichelproben. Der PRS basierte auf 130 bekannten genetischen Varianten, die mit Prostatakrebs assoziiert sind. Den Teilnehmern in den oberen 10 % der PRS-Verteilung wurden unabhängig vom PSA-Wert PSA-Tests, MRT und Biopsie angeboten.
In der April-Ausgabe 2025 des NEW ENGLAND JOURNAL OF MEDICINE berichten die Autoren um Jana K. McHugh vom Institute of Cancer Research und Elizabeth K. Bancroft vom Royal Marsden NHS Foundation Trust in London über die Ergebnisse dieser Studie, zu der 40.292 Männer europäischer Abstammung im Alter von 55 bis 69 Jahren eingeladen wurden. Von diesen zeigten 8.953 ihr Interesse an einer Teilnahme und schliesslich wurden 6.393 Männer rekrutiert. In der Hochrisikogruppe mit PRS (n = 745; 11,7 %) wurden 468 Männer weiter untersucht. Dabei zeigte sich eine Prostatakrebs-Erkennungsrate von 40 %. Von den diagnostizierten Fällen waren 55,1 % klinisch signifikant, 21,4 % wurden als Hoch- oder Sehr-Hochrisiko klassifiziert. 71,8 % der klinisch relevanten Karzinome wären durch das derzeitige britische Standardverfahren, das auf erhöhtem PSA-Wert und positivem MRT-Befund basiert, nicht erkannt worden. Die Rate der Überdiagnosen wurde auf 15 bis 21 % geschätzt, vergleichbar mit etablierten PSA-basierten Screeningstrategien. Die Studie legt nahe, dass der polygenetische Risiko-Score die Früherkennung von Prostatakrebs gezielter machen und die Erkennungsrate klinisch signifikanter Tumoren verbessern kann. (la/bs)
Autoren: McHugh JK, Bancroft EK, Saunders E, Brook MN, McGrowder E, Wakerell S, James D, Rageevakumar R, Benton B, Taylor N, Myhill K, Hogben M, Kinsella N, Sohaib AA, Cahill D, Hazell S, Withey SJ, Mcaddy N, Page EC, Osborne A, Benafif S, Jones AB, Patel D, Huang DY, Kaur K, Russell B, Nicholson R, Croft F, Sobczak J, McNally C, Mutch F, Bennett S, Kingston L, Karlsson Q, Dadaev T, Saya S, Merson S, Wood A, Dennis N, Hussain N, Thwaites A, Hussain S, Rafi I, Ferris M, Kumar P, James ND, Pashayan N, Kote-Jarai Z, Eeles RA; BARCODE1 Steering Committee and Collaborators. Korrespondenz: Dr. Rosalind A. Eeles, Oncogenetics Team, Institute of Cancer Research, 123 Old Brompton Rd., London SW3 6JJ, United Kingdom. E-Mail: ros.eeles@icr.ac.uk Studie: Assessment of a Polygenic Risk Score in Screening for Prostate Cancer. Quelle: N Engl J Med. 2025 Apr 10;392(14):1406-1417. doi: 10.1056/NEJMoa2407934. PMID: 40214032; PMCID: PMC7617604. Web: https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2407934
KOMMENTAR Ein Speicheltest zur Erkennung von Prostatakrebs? Es klingt zu einfach und futuristisch, könnte aber in Zukunft die Screening-Paradigmen revolutionieren. Die BARCODE1-Studie zeigt, dass der PRS die Identifizierung von Männern mit csPCa ermöglicht, die mit herkömmlichen, PSA-basierten Ansätzen sonst übersehen würden. Die Mehrheit der Patienten mit einem hohem PRS-Wert weist ein csPCa auf. Wie viele Patienten mit klinisch relevantem Prostatakarzinom haben wir bisher durch den ausschliesslich PSA-basierten Ansatz übersehen? Vor einer möglichen breiten Implementierung eines solchen Speicheltests müssen jedoch zentrale Aspekte weiter untersucht werden: die Kosteneffektivität, die logistische Umsetzbarkeit in grossem Massstab, die Validität bei Männern unterschiedlicher genetischer Herkunft sowie die ethischen Implikationen eines genomischen Screenings auf Bevölkerungsebene.
Autor: Dr. med. Luca Afferi, Oberarzt i.V. Urologie, Kantonsspital Aarau AG