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Journal Club

Kongressbericht SOG/SSO 2015: Update Cornea

Auf dem 108. Jahreskongress der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft (SOG) Ende August 2015 in Fribourg stellt Dr. med. univ. Stephan Kaminski, Leitender Arzt der Augenklinik am Stadtspital Triemli in Zürich, aktuelle internationale Arbeiten zum Thema Cornea vor und kommentiert sie kritisch. Dabei konzentriert er sich auf verschiedene Themen rund um die Keratoplastik.

1. Luft-Reinjektion und endotheliale Zelldichte nach DMEK: 5-Jahres-Follow-up

Die endotheliale Keratoplastik ist heutzutage die bevorzugte Methode, um eine endotheliale Dysfunktion zu behandeln. Offene Fragestellungen bleiben, wie zum Beispiel die Bewertung DMEK versus DSEK, auch im Hinblick auf die Tatsache, dass eine erneute Intervention (Luftfüllung) nach DMEK häufiger durchgeführt werden muss. Hat die Operationstechnik einen Einfluss auf die Endothelzellzahl? Und wie sieht es im Vergleich zur PKP aus?

Der Referent stellt hierzu die im Juli 2014 im Journal of Cataract & Refraktive Surgery veröffentlichte Studie “Air reinjection and endothelial cell density in Descement membrane endithelial keratoplasty: Five-year follow up” durch Matthew T. Feng et al. aus der Price Vision Group (Feng, F.W. Price) and the Cornea Research Foundation of America (M.O. Price, Miller) in Indianapolis vor. In der retrospektiven, vergleichenden Fallserie mit einer Nachbeobachtungszeit von mindestens 6 Monaten wurde die Zelldichte präoperativ sowie postoperativ nach 1, 3 und 6 Monaten und weiter jährlich bis zum 5. Jahr erhoben. Einem möglichen Zusammenhang zwischen Luft-Reinjektion und Endothelzellverlust wurde nachgegangen. Insgesamt wurden 673 Augen eingeschlossen, davon 266 von männlichen und 407 von weiblichen Probanden. Das mittlere Alter der Teilnehmer lag bei 65 Jahren (22 – 94 Jahre). Die Indikationen für die DMEK verteilten sich auf Fuchs-Dystrophie (88,4 %), pseudophakes Hornhautödem (4,5 %), fehlgeschlagene endotheliale Keratoplastik (5,8 %) und nicht erfolgreiche penetrierende Keratoplastik (1,3 %). Eine Luft-Reinjektion erfolgte in 70 % der Fälle gar nicht, in 23 % einmalig und in 7 % mehr als einmal. Das primäre Endziel war die endotheliale Zelldichte (ECD). Sekundäres Zielkriterium war der Status hinsichtlich Luftinjektion. Nach DMEK zeigte sich nach einem Monat eine mittlere Verringerung der ECD um 26 – 27 %, die bis zum Jahr 5 auf 39 % anstieg. Zwei oder mehr Luftinjektionen führten zu einem höheren ECD-Verlust als nur eine Reinjektion. Die Autoren ziehen einen für die DMEK-Methode positiven Vergleich zur Specular Microscopy Ancillary Study, die unter den Teilnehmern der Cornea Donor Studie nach PKP eine Abnahme der ECD von 70 % festgestellt hatte. Auch sei in einer Arbeit mit Ergebnissen eines 3-jährigen Follow-Ups nach DSEK eine durchschnittlich stärkere Verminderung der Endothelzelldichte um 33 – 60 % gefunden worden.

Kaminski sieht die Schwächen der hier vorgestellten Studie darin, dass lediglich 28 Augen vollständig über den angegebenen Follow-Up-Zeitraum von 5 Jahren nachbeobachtet werden konnten, dass das Ausmass der ECD-Verminderung nicht differenziert nach den einzelnen Diagnosen ermittelt und dargestellt wurde und dass nur die oben erwähnten zwei Studien zum Vergleich herangezogen wurden. Als “Take Home” Message aus dieser Studie formuliert er: Nach einem Zeitraum von 5 Jahren scheint DMEK gegenüber PKP eine geringere Verminderung der Zelldichte verursacht zu haben. Ein einziges Re-Bubbling führt noch nicht zu einer verstärkten Verminderung der ECD. Insgesamt ist die DMEK hinsichtlich der Geschwindigkeit der visuellen Erholung und dem Ausmass der endothelialen Zelldichteabnahme (und damit wahrscheinlich einem längeren Überleben des Transplantats) der PKP überlegen.

2. Postoperative Steroidtherapie nach DMEK

Es sei bekannt, dass DMEK ein geringeres Risiko einer immunologischen Transplantatabstossung habe, stellt Kaminski seinen Überlegungen zur nächsten vorgestellten Studie voran. Steroide könnten okuläre Hypertension, Glaukom und Kataraktbildung induzieren. Es stelle sich somit die Frage, ob man die lokale Steroidtherapie reduzieren könne. Dazu berichtet er über die Arbeit der Cornea Research Foundation of America in Indianapolis von Marianne O. Price et al., “Loteprednol Etabonate 0.5% Gel Vs. Prednisolone Acetate 1% Solution After Descemet Membrane Endothelial Keratoplasty: Prospective Randomized Trial”, die im August 2015 in der Fachzeitschrift Cornea erschien. In die prospektive, Untersucher-maskierte, randomisierte, kontrollierte Studie wurden 167 Patienten aufgenommen und randomisiert im Verhältnis 1:1 entweder Loteprednoletabonat-Gel 0,5 % oder Prednisolonacetat-Lösung 1 % zugeteilt. 66 kontralaterale Augen erhielten die jeweils andere Therapie. Die Medikation wurde für 2 Monate 4-mal pro Tag, dann für einen Monat 3-mal pro Tag, für einen Monat 2-mal pro Tag und einmal täglich für weitere 7 Monate appliziert. Nachuntersuchungen fanden 1, 3, 6 und 12 Monate nach der DMEK statt. Hauptzielkriterium war ein IOP von über 24 mm Hg oder ein Anstieg des IOP von mehr als 10 mm Hg gegenüber dem Ausgangswert. Als sekundärer Zielparameter wurde Evidenz für Transplantatabstossung festgelegt. Aus den Ergebnissen der Studie geht hervor, dass unter Prednisolon der IOP bei 24 (22 %) der Augen und unter Loteprednol bei 12 (11 %) Augen einen Wert über 24 mm HG aufwies (p = 0,039). Ein Anstieg des IOP um mindestens 10 mm HG fand sich bei 21 (20 %) der Augen in der Prednisolon-Gruppe und bei 8 (7,3 %) der Loteprednol-Gruppe (p = 0,013). Eine intraindividuale IOP-Erhöhung wurde in 16 % der mit Prednisolon gegenüber 3,2 % der mit Loteprednol behandelten Augen beobachtet. Der Referent fasst die Aussagen dieser Studie wie folgt zusammen: In der Suppression einer Transplantatabstossung sind Loteprednol 0,5 % und Prednisolon 1 % gleich effektiv, wobei Loteprednol ein geringeres Risiko für einen Anstieg des Intraokulardrucks aufweist. Der Anstieg des IOP erreicht seinen Höhepunkt im 4. Monat der postoperativen Therapie, wobei allerdings einzelne Patienten Spitzen nach 7 Monaten aufwiesen. Die Frage, ob sich die Anwendung von Steroiden nach DMEK reduzieren lässt, bleibt weiterer Forschung vorbehalten.

3. Transparenz der Kornea

Korneale Neovaskularisation führt weltweit zur Erblindung von circa 7 Millionen Menschen. Korneale Fibrose ist die dritthäufigste Ursache für Erblindung in der Welt. Kaminski führt aus, dass die medikamentösen Möglichkeiten, die korneale Wundheilung zu beeinflussen, begrenzt sind und Anti-VEGFs keinen grossen Einfluss auf die Prävention einer kornealen Fibrose haben. Er stellt dazu die Arbeit “Inhibition of Rho-Associated Kinase Prevents Pathological Wound Healing and Neovascularization After Corneal Trauma” von D Sijnave et al. aus der Abteilung für Neurowissenschaften der Katholischen Universität Leuven in Belgien vor, die im September 2015 im Journal Cornea veröffentlicht wurde. Die Fragestellung hier war, ob der spezifische Inhibitor Rho-assoziierte Proteinkinase (ROCK) AMA0526 einen Einfluss auf die korneale Neovaskularisation und Narbenbildung hat. Dem ging man in folgenden experimentellen in vitro und in vivo Modellen nach: Einfluss auf die Lebensfähigkeit, Proliferation und Migration von humanen Endothelzellen der Umbilicalvene (HUVEC), in vivo Effekt auf die Neovaskularisation im Hornhaut-Mikrotaschen-Modell bei Mäusen mit Bevacizumab als Kontrolle sowie im Laugenverätzungs-Modell bei Mäusen mit Dexamethason als Kontrolle. Die Hauptzielparameter waren die Hemmung der Proliferation und Migration der vaskulären Endothelzellen, die Reduktion der Neovaskularisation im Mikrotaschen-Modell beziehungsweise der Grad der Hornhauttrübung und Neovaskularisation im Laugenverätzungsmodell. Kaminski stellt anhand der Originalabbildungen aus der Studie dar, dass die ROCK-Inhibition die Proliferation und Migration vaskulärer Endothelzellen in vitro dosisabhängiger hemmt. Im Mikrotaschen-Modell wurde die Neovaskularisation durch AMA0526 im Vergleich zu Bevacizumab signifikant vermindert und die Trübung der Hornhaut sowie die Neovaskularisation wurden auch nach chemischer Verätzung signifikant gegenüber der Vergleichssubstanz reduziert. Abschliessend fasst der Referent zusammen, Rho-Kinase-Inhibitoren stehen zurzeit hinsichtlich ihrer Bedeutung für die korneale endotheliale Erholung, Glaukom, AMD und kornealer Wundheilung im Fokus der Forschung. Zur Zeit sind die Nebenwirkungen noch von besonderer Bedeutung, doch könnte dieses Problem durch die Entwicklung lokal agierender ROCK-Inhibitoren überwunden werden.

4. Nutzen der intraoperativen OCT für DMEK

Für Kaminski stellen sich hinsichtlich der intraoperativen OCT-Anwendung hauptsächlich die Fragen nach möglichen Schwierigkeiten bei der Übertragung vom DSEK- auf das DMEK-Verfahren und ob der Einsatz schneller zu mehr Erfahrung in der Operationstechnik führt sowie ob die Transplantat-Ausrichtung sichtbar wird. Im Folgenden stellt er die Studie von Brian Cost und Kollegen aus dem Ophthalmic Imaging Center des Cole Eye Institute in Cleveland vor, die in der September-Ausgabe 2015 des American Journal of Ophthalmology unter dem Titel “Intraoperative optical coherence tomography-assisted descemet membrane endothelial keratoplasty in the DISCOVER study” erschien. In die prospektive, konsekutive, interventionelle Fallserie mit einer Mindestnachbeobachtungszeit von 4 Monaten waren 8 Augen von 7 Patienten aufgenommen worden. Die acht Operationen waren die ersten, die der Chirurg mit dem im Operationsmikroskop integrierten, intraoperativen OCT RESCAN 700® von ZEIss durchführte. Qualitative OCT-Untersuchungen wurden durchgeführt zur Empfänger- und Spendergewebe-Präparation, zur Bestimmung der Transplantat-ausrichtung und -einfügung sowie zur Beurteilung der Flüssigkeitsdynamik an der Gewebegrenzfläche. Die Daten der Studie ergaben eine Entrollzeit von 6 Minuten und 15 Sekunden (Spanne 2,25 – 27,36 min). 7 von 8 Transplantaten wurden vollständig integriert, ein Transplantat wies einen linearen Bereich auf, der wegen posteriorer Stromairregularität nicht adaptiert werden konnte. Kaminski weist deutlich auf die Einschränkungen dieser Arbeit hin: die geringe Fallzahl, keine Randomisierung und Erfahrungen lediglich eines einzigen Chirurgen. Er schloss mit dem Fazit, dass sich durch intraoperatives OCT die Lernkurve verkürzen lasse, die Erfolgsrate hinsichtlich einer korrekten Ausrichtung des Transplantats 100 % betrage und Anomalien des posterioren Stromabettes offenbart würden, der Einsatz aber nicht kosteneffektiv sei. (bs)