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Fachverlag und Nachrichtenagentur

Wie wird das biochemische Rezidiv nach radikaler Prostatektomie am besten therapiert?

PROSTATE Lyon – mechentel news – Bei der oben formulierten Frage handelt es sich um eine akute klinische Fragestellung, die sich auch die französischen Autoren um Christian Carrie vom Department für Radiotherapie am Centre Léon Bérard in Lyon stellten. Eine Salvage-Bestrahlung zögert den Einsatz aggressiver Behandlungsmethoden wie z. B. einer Langzeit-Androgen-Suppression hinaus, jedoch profitiert weniger als die Hälfte der Patienten davon. Die Forscher versuchten daher den Effekt des biochemischen Resultates und das Gesamtüberleben (overall survival) der Männer mit ansteigenden PSA-Werten nach radikaler Prostatektomie mittels einer zusätzlichen Kurzzeit-Androgen-Suppression zum Zeitpunkt der Salvage-Bestrahlung zu etablieren. Die unverblindete, multizentrische randomisierte Phase-III-Studie wurde an 43 französischen Zentren durchgeführt. Dazu wurden Männer ab 18 Jahren angeworben, die sich bereits in Behandlung ihres histologisch bestätigten Adenokarzinoms der Prostata befanden und deren Tumorstadium als pT2, pT3 oder pT4a (nur Ausdehnung auf den Blasenhals) klassifiziert wurde. Alle Patienten wiesen steigende PSA-Konzentrationen von 0,2 bis < 2,0 ng/ml infolge einer radikalen Prostatektomie auf, ohne klinische Krankheitssymptome zu zeigen. Die Patienten wurden randomisiert mittels eines interaktiven Antwortsystems entweder der Standard-Salvage-Bestrahlungstherapie (dreidimensionale [3D] konformale Strahlentherapie oder intensitätsmodulierte Strahlentherapie von 66 Gy verbreicht in 33 Fraktionen über fünf Tage die Woche für insgesamt sieben Wochen) oder der Bestrahlung kombiniert mit einer kurzzeitigen Androgen-Suppression mittels 10,8 mg subkutan injiziertem Goserelin am Tage der ersten Bestrahlung und drei Monate danach zugewiesen. Die Randomisierung wurde mittels der permutierten Blockmethode in Bezug auf das Forschungszentrum, die Modalität der Strahlentherapie und die Prognose stratifiziert. Primärer Endpunkt der Studie war das progressionsfeie Überleben, das in der Intention-to-treat-Population untersucht wurde. Im Zeitraum vom 19. Oktober 2006 bis 30. März 2010 wurden 743 Patienten zufällig entweder der Bestrahlungstherapie als alleinige Behandlung (374) oder der mit Goserelin-kombinierten Bestrahlungstherapie (369) zugewiesen. Bei Patienten, der mit Goserelin-kombinierten Bestrahlungstherapie-Gruppe kam es nach fünf Jahren zu signifikant weniger biochemischen oder klinischen Progressionen (80 % vs. 62 %; 95 % Konfidenzintervall [CI]: 75 – 84 vs. 57 – 67; Risikoquotient [hazard ratio, HR]: 0,50; 95 % CI: 0,38 – 0,66; p < 0,0001), ohne dass zusätzliche Spätfolgen im Vergleich zur alleinigen Bestrahlungstherapie-Gruppe zu verzeichnen waren. Als häufigste Akutfolgen in Bezug auf das Goserelin traten Hitzewallungen, Schwitzen oder beides auf. 30 (8 %) von 366 Patienten aus der Goserelin-kombinierten Bestrahlungsgruppe wiesen Grad 2 oder schlechter auf (30 Patienten [8 %] klagten über Hitzewallungen und fünf Patienten [1 %] über vermehrtes Schwitzen) und drei Patienten (0,8 %) litten sogar unter Hitzewallungen des Grades 3 oder schlechter und ein Patient litt unter starkem Schwitzen des Grades 3 oder schlechter. Demgegenüber berichtete kein Patient von 372 Patienten der alleinigen Bestrahlungstherapiegruppe über eine dieser Akutfolgen. Als häufigste Spätfolgen sind Grad 3 oder schlechtere genitourinäre Komplikationen (29 [8 %] in der alleinigen Bestrahlungsgruppe vs. 26 [7 %] in der Goserelin-kombinierten Bestrahlungsgruppe) sowie sexuelle Störungen (20 [5 %] vs. 30 [8 %]) zu nennen. Die Autoren, der im Juni 2016 in der Fachzeitschrift The Lancet Oncology erschienenen Studie, fassen zusammen, dass eine zusätzlich zur Salvage-Bestrahlung durchgeführte Kurzzeit-Androgen-Suppression Vorteile für die Männer bietet, die auch nach der Prostatektomie ansteigende PSA-Werte nach der postchirurgischen Periode, in welcher das PSA nicht messbar ist, aufweisen. Für eben diese Männer scheint die mit einer Kurzzeit-Androgen-Suppression-kombinierte Bestrahlungstherapie eine passable Option zu sein. (ut)

Autoren: Carrie C, Hasbini A, de Laroche G, Richaud P, Guerif S, Latorzeff I, Supiot S, Bosset M, Lagrange JL, Beckendorf V, Lesaunier F, Dubray B, Wagner JP, N‘Guyen TD, Suchaud JP, Créhange G, Barbier N, Habibian M, Ferlay C, Fourneret P, Ruffion A, Dussart S. Korrespondenz: Dr. Christian Carrie, Centre Léon Bérard, 28 Rue Laënnec, 69373 Lyon CEDEX 08, France. Electronic address: christian.carrie@lyon.unicancer.fr. Studie: Salvage radiotherapy with or without short-term hormone therapy for rising prostate-specific antigen concentration after radical prostatectomy (GETUG-AFU 16): a randomised, multicentre, open-label phase 3 trial. Quelle: Lancet Oncol. 2016 Jun; 17(6):747-56. doi: 10.1016/S1470-2045(16)00111-X. Epub 2016 May 6. Web: http://www.thelancet.com/journals/lanonc/article/PIIS1470-2045(16)00111-X/abstract

KOMMENTAR Die französische „Groupe d` étude des tumeurs urogénitales“ (kurz GETUG) zeigt in dieser Lancet-Studie Ergebnisse zur Salvage-Bestrahlung (66 Gy) des Prostatabetts über sieben Wochen und vergleicht dabei zwei Gruppen: nämlich Bestrahlung mit zweimaliger Injektion von 10,8 mg Goserelin versus ohne Goserelin. Nur 4 % hatten eine IMRT. 80 % hatten einen PSA-Wert unter 0,5 ng/ml zum Zeitpunkt der Bestrahlung, Einschlusskriterium war ein PSA-Wert postoperativ < 0,1 ng/ml. Die Zeit bis zum biochemischen Rezidiv (cut-off 0,2 ng/ml) belief sich auf 2,5 Jahre. Bei Randomisierung waren die Männer im Schnitt bei einem PSA-Wert von 0,3 ng/ml. Es handelte sich um durchschnittlich 67-jährige Männer (49 bis 85 Jahre) mit grob gesagt 50 % pT2-Tumoren, bzw. 50 % R1-Status. Der biologische Progress wurde als PSA-Rezidiv definiert, über die Definition der klinischen Progression schweigen sich die Autoren allerdings aus. Auch eine Biopsie bei Progress war nicht notwendig. Bei einem Follow-up von knapp 5 Jahren zeigte sich ein Vorteil für die Kombinationstherapie. Acht Prozent hatten als Spät-Toxizität Grad 3-Events. Die RTOG definiert Grad 3 als „Frequency with urgency and nocturia hourly or more frequenty / dysuria, pelvis pain or bladder spasm requiring regular, frequent narcotic / gross hematuria with/without clot passage.“ Die Autoren sagen, die Salvage-Bestrahlung mit zwei Injektionen Goserelin sei eine valable Alternative bei Männern mit pT3b, bzw. Gleason 8, R0 oder PSA-Doublingtime < 6 Monaten. Nachteil der Studie: Etwas schade ist der flaue Endpunkt („Progressionsfreies Überleben“). Zudem sind pT2 Tumoren mit deutlich besserer Prognose kombiniert mit pT3-Tumoren eingeschlossen. Vorteil der Studie: Alle Männer mussten ein PSA-Wert < 0,1 ng/ml postoperativ aufweisen. Jene mit PSA-Persistenz wurden also ausgeschlossen. Sowohl im EORTC-Trial von Michel Bolla (1) als auch im SWOG Trial von Ian Thompson (2) hatten rund 30 % der Patienten eine PSA-Persistenz und damit ein weiteres tumorbiologisches Stadium. Einzig die ARO-Studie von Thomas Wiegel hatte dieses strikte Einschlusskriterium (3). Was sagt uns die Studie? Man fragt sich natürlich: Ist es nicht zu erwarten, dass ein Rezidiv, welches erwartungsgemäss hormonsensitiv ist, besser auf Bestrahlung mit Hormonentzug anspricht als auf Bestrahlung alleine? Denn genau das war ja einer der Endpunkte der Studie (nicht etwa das Overall – oder das Metastatic-free survival). Heisst das nicht auch, dass die Bestrahlung in dieser high risk Population ohne System-Unterstützung schlechter ist? Und heisst das schlussendlich nicht auch, dass wir unseren Männern die Nebenwirkungen eines Hormonentzugs aufbürden, um postoperativ womöglich nur eine „PSA-Hygiene“ zu haben? Wenn man das Gesamtüberleben als Endpunkt nimmt, muss man schon die RTOG-9601-Studie heranziehen (4) (allerdings hatten die Männer der RTOG-Studie eine PSA-Persistenz postoperativ > 0,2 ng/ml). Plus der Mann musste neben 64,8 Gy auch zwei Jahre lang 150 mg Bicalutamid mit all den bekannten Nebenwirkungen in Kauf nehmen.

1. Bolla M, van Poppel H, Tombal B, Vekemans K, Da Pozzo L, de Reijke TM, Verbaeys A, Bosset JF, van Velthoven R, Colombel M, van de Beek C, Verhagen P, van den Bergh A, Sternberg C, Gasser T, van Tienhoven G, Scalliet P, Haustermans K, Collette L, European Organisation for R, Treatment of Cancer RO, Genito-Urinary G. 2012. Postoperative radiotherapy after radical prostatectomy for high-risk prostate cancer: long-term results of a randomised controlled trial (EORTC trial 22911). Lancet 380:2018-2027. 2. Thompson IM, Tangen CM, Paradelo J, Lucia MS, Miller G, Troyer D, Messing E, Forman J, Chin J, Swanson G, Canby-Hagino E, Crawford ED. 2009. Adjuvant radiotherapy for pathological T3N0M0 prostate cancer significantly reduces risk of metastases and improves survival: long-term followup of a randomized clinical trial. J Urol 181:956-962. 3. Wiegel T, Bartkowiak D, Bottke D, Bronner C, Steiner U, Siegmann A, Golz R, Storkel S, Willich N, Semjonow A, Stockle M, Rube C, Rebmann U, Kalble T, Feldmann HJ, Wirth M, Hofmann R, Engenhart-Cabillic R, Hinke A, Hinkelbein W, Miller K. 2014. Adjuvant radiotherapy versus wait-and-see after radical prostatectomy: 10-year follow-up of the ARO 96-02/AUO AP 09/95 trial. Eur Urol 66:243-250. 4. Shipley WU, Seiferheld W, Lukka HR, Major PP, Heney NM, Grignon DJ, Sartor O, Patel MP, Bahary JP, Zietman AL, Pisansky TM, Zeitzer KL, Lawton CA, Feng FY, Lovett RD, Balogh AG, Souhami L, Rosenthal SA, Kerlin KJ, Dignam JJ, Pugh SL, Sandler HM, RTOG NRGO. 2017. Radiation with or without Antiandrogen Therapy in Recurrent Prostate Cancer. N Engl J Med 376:417-428.