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Fachverlag und Nachrichtenagentur

Der orthotope Harnblasenersatz funktioniert auch noch nach 20 Jahren zufriedenstellend

 

LOWER URINARY TRACT Bern – mechentel news – Der orthotope Harnblasenersatz wird seit mehr als 30 Jahren als Standardverfahren eingesetzt, doch bis heute mangelt es an Daten über deren Langzeit-Funktionalität. Daher beurteilten Marc A. Furrer et al. von der Abteilung für Urology der Universität zu Bern, Schweiz, 181 Männer und 19 Frauen (ø 63 Jahre; Interquartilbereich: 57 – 69), die sich im Zeitraum von 1985 bis 2004 einer radikalen Zystektomie mit Harnableitung mittels einer Ileum-Neoblase unterzogen hatten und inzwischen auf ein mindestens zehn Jahre langes Follow-up (ø 167 Monate; Interquartilbereich: 137 – 206) zurückblicken können. Die Tag- und Nachtkontinenz erreichte 24 Monate postoperativ ihren Scheitelpunkt und nahm von da an im Verlauf von nunmehr fast zwei Jahrzehnten langsam ab. Nach zehn, 15 und 20 Jahren lagen die Kontinenzraten am Tage bei 92 %, 90 % bzw. 79 % und in der Nacht bei 70 %, 65 % bzw. 55 %. Zehn Jahre oder später nach der Operation hatten am Tage bzw. in der Nacht weniger als 3 % bzw. 10 % der Patienten zu jeder Zeit wenigstens 100 ml Urinverlust. Nach zehn bzw. 20 Jahren war bei 11/200 Patienten (6 %) bzw. 1/29 (3 %) ein intermittierender Selbst-Katheterismus notwendig. Nach einer postoperativen Abnahme der erwarteten glomerulären Filtrationsrate betrug die sich anschliessende Abnahme weniger als 1 ml/min/1,73m^2 pro Jahr. Insgesamt konnten zehn Jahre nach der radikalen Zystektomie 81 Komplikationen bei 42 der 200 Patienten beobachtet werden, wobei in den meisten Fällen eine Pyelonephritis vorlag. Die Autoren der im Oktober 2016 in der Fachzeitschrift The Journal of Urology veröffentlichten Studie fassen zusammen, dass Patienten, die 20 Jahre nach der radikalen Zystektomie mit dem ilealen orthotopen Harnblasenersatz noch lebten, weitestgehend eine zufriedenstellende Urinkontinenz aufwiesen und dabei auch die Fähigkeit, spontan die Blase zu entleeren, nicht verloren hatten. Sie hatten nicht mehr als eine physiologisch eingeschränkte renale Funktion. (ut)

Autoren: Furrer MA, Roth B, Kiss B, Nguyen DP, Boxler S, Burkhard FC, Thalmann GN, Studer UE. Korrespondenz: Urs E. Studer, Department of Urology, University Hospital Bern, CH-3010 Bern, Switzerland. Electronic address: urs.studer@insel.ch. Studie: Patients with an Orthotopic Low Pressure Bladder Substitute Enjoy Long-Term Good Function. Quelle: J Urol. 2016 Oct; 196(4):1172-80. doi: 10.1016/j.juro.2016.04.072. Epub 2016 Apr 29. Web: http://www.jurology.com/article/S0022-5347(16)30320-2/abstract

KOMMENTAR Abermals eine klinisch hoch interessante Studie von der Berner Gruppe. Die Inkontinenz am Tag nimmt diesem Kollektiv zufolge ab dem 5. Jahr langsam zu, deutlicher sieht man den longitudinalen Unterschied in der nächtlichen Inkontinenz (bei zeitlich getriggerter Miktion 3-4 stündlich): nach 10 Jahren 70 %, 15 Jahren 66 % Kontinenz sowie nach 20 Jahren 55 %. Kontinenz wurde dabei als nicht mehr als wenige Tropfen Urinverlust definiert und im Intervall von 6 Monaten klinisch kontrolliert (181 Männer und 19 Frauen). Während der medianen Beobachtungszeit von fast 14 Jahren (167 Monate), nahm die Nierenfunktion in physiologischem Ausmass ab: GFR 76 ml/min/1.73m^2 auf 60 ml/min/1.73m^2 nach 20 Jahren. Insgesamt 19 % der Patienten benötigten noch Natriumbikarbonat nach 10 Jahren, um den Säure-Base-Haushalt zu korrigieren. Von infektiösen Ereignissen war die Pyelonephritis die häufigste Komplikation und metachrone Urotheltumoren ereigneten sich in 5 % der Patienten, die 10 Jahre oder länger überlebten.