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Fachverlag und Nachrichtenagentur

Cochrane-Meta-Analyse: Strahlentherapie bei neovaskulärer AMD

 

MEDICAL RETINA London – mechentel news – Zehn Jahre nach ihrem letzten Cochrane Review legten Jennifer R. Evans von Cochrane Eyes and Vision, ICEH an der London School of Hygiene & Tropical Medicine im Vereinigten Königreich und weitere britische Kollegen erneut eine Meta-Analyse zur radiologischen Behandlung der neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration (AMD) vor. Dazu wurden ENTRAL, MEDLINE, Embase, LILACS und drei Studienregister durchsucht und die Referenzierungen der eingeschlossenen Studien überprüft. Das letzte Suchdatum war der 4. Mai 2020. Eingeschlossen wurden alle randomisierten kontrollierten Studien, in denen die Strahlentherapie mit einer anderen Behandlung, Scheinbehandlung, Bestrahlung mit niedriger Dosierung oder keiner Behandlung bei Menschen mit choroidaler Neovaskularisation (CNV) nach AMD verglichen wurde. Es wurden die nach den Cochrane-Standards erwarteten Verfahren zur Datensammlung und -analyse angewendet. Das GRADE-System wurde angewandt, um die Qualität der Evidenz auszudrücken. Die folgenden Ergebnisparameter wurden berücksichtigt: bestkorrigierte Sehschärfe (BCVA) (Verlust von 3 oder mehr Linien, Veränderung der Sehschärfe), Kontrastempfindlichkeit, Wachstum neuer Gefässe und Lebensqualität nach 12 Monaten sowie Nebenwirkungen zu jedem Zeitpunkt. Insgesamt wurden 18 Studien (n = 2.430 Personen, 2.432 Augen) zur Strahlentherapie mit Dosierungen zwischen 7,5 und 24 Gy eingeschlossen. Diese Studien fanden überwiegend in Europa und Nordamerika statt, zwei Studien stammten aus Japan und eine multizentrische Studie umfasste Standorte in Südamerika. Drei der Studien untersuchten die Brachytherapie (Plaque und epimakulär), der Rest waren Studien zur externen Strahlentherapie, einschliesslich einer Studie zur stereotaktischen Strahlentherapie. In vier Studien wurde die Strahlentherapie in Kombination mit dem antivaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (Anti-VEGF) mit Anti-VEGF allein verglichen. Elf Studien gaben der Kontrollgruppe keine Strahlentherapie, fünf Studien verwendeten Scheinbestrahlung und eine Studie führte eine Bestrahlung mit sehr niedriger Dosis (1 Gy) durch. Eine Studie verwendete eine Mischung aus Scheinbestrahlung und keiner Behandlung. Bei 15 Studien wurde das Risiko für einen Bias in einem oder mehreren Bereichen als hoch eingeschätzt.

Strahlentherapie versus keine Strahlentherapie: Es ergab sich hinsichtlich der Verringerung der Sehschärfe um drei Zeilen nach 12 Monaten ein geringer oder gar kein Unterschied im Vergleich von Augen, die mit Strahlentherapie behandelt wurden und Augen, die keine Radiotherapie erhielten (Evidenz mit geringer Sicherheit). Diese Evidenz mit geringer Sicherheit deutet auf einen geringen Nutzen bei der Veränderung der Sehschärfe und der durchschnittlichen Kontrastempfindlichkeit nach 12 Monaten hin. Über das Wachstum neuer Gefässe (meistens Veränderung des Ausmasses der CNV) wurde unterschiedlich berichtet, und es war nicht möglich, eine zusammenfassende Schätzung dieser Ergebnisse zu erstellen. Die Studien waren klein mit ungenauen Schätzungen und es gab kein konsistentes Muster in den Studienergebnissen (sehr geringe Qualität der Evidenz). Über die Lebensqualität wurde nur in einer Studie mit 199 Personen berichtet; es gab keinen klaren Unterschied zwischen Behandlungs- und Kontrollgruppen (Evidenz von geringer Qualität). Nur eine geringe Qualität der Evidenz ergab sich zu Nebenwirkungen aus acht von 14 Studien. Sieben Studien berichteten über Strahlenretinopathie und/oder Neuropathie. Fünf dieser Studien berichteten über keine strahlenassoziierten Nebenwirkungen. Eine Studie mit 88 Augen berichtete über einen Fall einer möglichen Strahlenretinopathie. Eine Studie mit 74 Augen bewertete Netzhautanomalien detailliert und zeigte, dass 72% der Teilnehmer mit Bestrahlung im Vergleich zu 71% der Teilnehmer in der Kontrollgruppe Netzhautanomalien aufwiesen, die einer Strahlenretinopathie oder Choroidopathie ähnelten. Vier Studien berichteten über eine Kataraktoperation oder -progression. Allgemein gab es nur wenige Nebenwirkungen ohne konsistente Hinweise auf ein vermehrtes Auftreten in der Bestrahlungsgruppe. In einer Studie wurde eine vorübergehende Störung des präkornealen Tränenfilms festgestellt, aber es ergab sich keine Evidenz aus zwei anderen Studien, die ein möglichweise erhöhtes Risiko für trockenes Auge unter Strahlentherapie untersuchten. Keiner der Teilnehmer erhielt Anti-VEGF-Injektionen.

Strahlentherapie kombiniert mit Anti-VEGF im Vergleich zu Anti-VEGF allein: Personen, die eine Strahlentherapie und Anti-VEGF erhielten, hatten mit höherer Wahrscheinlichkeit nach 12 Monaten 3 oder mehr BCVA-Linien verloren im Vergleich zu Anti-VEGF allein (mittlere Qualität der Evidenz). Die meisten Daten für dieses Ergebnis stammen aus zwei Studien zur epimakulären Brachytherapie (114 Ereignisse) im Vergleich zu 20 Ereignissen aus einer Studie zur externen Strahlentherapie. Die Daten zur Veränderung der BCVA waren heterogen. Die einzelnen Studienergebnisse reichten von einem kleinen Unterschied von -0,03 logMAR zugunsten von Strahlentherapie plus Anti-VEGF bis zu einem Unterschied von 0,13 logMAR zugunsten von Anti-VEGF allein (Evidenz von geringer Qualität). Der Effekt war je nach Art der Strahlentherapie unterschiedlich. Die epimakuläre Brachytherapie war mit schlechteren visuellen Ergebnissen verbunden im Vergleich zur externen Strahlentherapie. Keine der eingeschlossenen Studien berichtete über Kontrastempfindlichkeit oder Lebensqualität. Über das Wachstum neuer Gefässe (meistens Veränderung des Ausmasses der CNV) wurde in drei Studien (803 Augen) unterschiedlich berichtet, und es war nicht möglich, eine zusammenfassende Schätzung dieser Ergebnisse zu erstellen. Es ergab sich auch hier kein konsistentes Muster in den Studienergebnissen (sehr geringe Qualität der Evidenz). Bezüglich unerwünschter Ergebnisse wurden in den vier Studien unterschiedliche Ergebnisse angegeben. In drei Studien waren die Berichte über unerwünschte Ereignisse gering und es wurden keine strahlenassoziierten Nebenwirkungen gemeldet. In einer Studie zur epimakulären Brachytherapie war der Anteil unerwünschter Ereignisse am Auge höher (54%) als bei der alleinigen Behandlung mit Anti-VEGF (18%). Bei der Mehrzahl dieser unerwünschten Ereignisse handelte es sich um Katarakt. Insgesamt hatten 5% der Behandlungsgruppe unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit Bestrahlungen (17 Fälle); in 10 dieser Fälle war es eine Strahlenretinopathie. Es gab Unterschiede in der durchschnittlichen Anzahl der Injektionen zwischen den vier Studien (1.072 Augen). In drei der vier Studien erhielt die Gruppe mit Anti-VEGF allein im Durchschnitt mehr Injektionen (mittlere Qualität de Evidenz).

Die Autoren fassen das Ergebnis ihrer Meta-Analyse im August 2020 in COCHRANE DATABASE SYSTEMATIC REVIEW wie folgt zusammen: Die Evidenz bezüglich der Anwendung der Strahlentherapie bei neovaskulärer AMD ist ungewiss. Die meisten Studien fanden vor der routinemässigen Anwendung von Anti-VEGF und vor der Entwicklung moderner Techniken der Bestrahlung wie der stereotaktischen Strahlentherapie statt. Die visuellen Ergebnisse sind mit der epimakulären Brachytherapie wahrscheinlich schlechter, mit einem erhöhten Risiko für unerwünschte Ereignisse, wahrscheinlich im Zusammenhang mit einer Vitrektomie. Die Rolle der stereotaktischen Strahlentherapie in Kombination mit Anti-VEGF ist derzeit ungewiss. Weitere Forschungen zur Strahlentherapie bei neovaskulärer AMD sind möglicherweise erst gerechtfertigt, wenn über die Ergebnisse aktuell laufender Studien berichtet wurde.(bs)

Autoren: Evans JR, Igwe C, Jackson TL, Chong V. Korrespondenz: Victor Chong, Oxford Eye Hospital, Oxford, UK. E-Mail: victor@eretina.org Studie: Radiotherapy for neovascular age-related macular degeneration. Quelle: Cochrane Database Syst Rev. 2020 Aug 26;8:CD004004. doi: 10.1002/14651858.CD004004.pub4. PMID: 32844399. Web: https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD004004.pub4/full