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Fachverlag und Nachrichtenagentur

Zirkulierende MicroRNAs, die Serum-Biomarker der nächsten Generation bei Keimzelltumoren der Hoden

TESTICULAR CANCER Coimbra – Testikuläre Keimzelltumoren (TGCT) sind die häufigste Tumorentität bei Männern zwischen 20-40 Jahren. In der Klinik findet die Unterteilung der Tumoren in Seminome und Nicht-Seminome statt. Eine wichtige Rolle in der Diagnostik und Nachsorge der TGCT kommt den Tumormarkern AFP, B-HCG und LDH zu. Eine geringe Sensitivität und Spezifität aufgrund der heterogenen Expression der TGCT limitieren allerdings deren Nutzen. So sind B-HCG und LDH nur in 28% bzw. 29.1% reiner Seminome erhöht. In Nichtseminomen betragen die Werte 53% für B-HCG, 60.1% für AFP und 38.7% für LDH. Entsprechend gross ist das Bedürfnis bzw. die Forschung nach neuen, zuverlässigeren Biomarken. Während der letzten Dekade ist das Augenmerk dabei zusehends auf microRNA (miR) gefallen. Dabei handelt es sich um kleine, aus ca. 22 Nucleotiden bestehende, nichtcodierende RNA Sequenzen. Sie sind involviert in der epigenetischen Regulation der mRNA Translation und üben dabei einen Einfluss auf die Zelldifferenzierung aus. In der Karzinogenese kommt ihnen eine Rolle als Onkogene oder Tumorsuppressoren zu. Aufgrund des Ursprungs von TGCT aus undifferenzierten, embryonalen Stammzellen kommt dabei den Clustern miR-371-3 und miR-302-367 eine besondere Bedeutung zu. Das Ziel der hier vorgestellten systematischen Review lag darin, die Evidenz für die klinische Anwendung der miRNA im Bereich der TGCT zu untersuchen. Dazu führten die Autoren um Ricardo Leão, aus dem Department of Urology am Hospital de Braga, Hospitais CUF, Faculty of Medicine, University of Coimbra, Coimbra, Portugal, eine Literatursuche nach den PRISMA Guidlines in den gängigen Literaturverzeichnissen durch. Die Suche identifizierte total 31 Artikel, wobei 23 die Rolle der miR in der Primärdiagnostik, 7 in der frühen Erkrankungsphase, 13 im metastasierten Stadium und 2 die Kosten der klinischen Implementation untersuchten. Die höchste Sensitivität und Spezifität für die Primärdiagnostik wurde in mehreren Studien miR-371a-3p attestiert, mit einer Sensitivität zwischen 84.7% -89% und einer Spezifität zwischen 90-99%. Ebenso konnte für dieses Cluster eine positive Korrelation zwischen Serumlevels und Durchmesser der Primärläsion aufgezeigt werden. Im Vergleich mit den klassischen Tumormarkern zeigte sich eine deutliche Überlegenheit der miR. Die Cluster miR-371-3 bzw. miR-302/367 erreichten dabei in einer Vergleichsstudie hinsichtlich Primärdiagnostik Sensitivitätswerte von 98%, währenddessen die Werte für B-HCG 57% bzw. 36% für AFP betrugen. Die Sensitivität und Spezifität zur Unterscheidung eines lokalisierten vs. eines metastastierten Erkrankungsstadium betragen für miR-371a-3p 83.1% bzw. 60.1% Prozent. miR Clusters könnten auch zu einer wichtigen Entscheidungshilfe bei residualer Erkrankung nach Chemotherapie werden. In 82 Patienten welche nach Chemotherapie einer RPLND unterzogen wurden konnte miR-371a-3p vitales Krebsgewebe mit einer AUC von 0.885 vorhersagen, die Sensitivität sowie der negative prädiktive Wert betrugen dabei 100% bei retroperitonealer Masse >3cm. in der Oktober-Ausgabe des Fachjournals EUROPEAN UROLOGY, weisen die Autoren auch auf die Kosten hin. So errechneten zwei Modelle geringere Gesamtkosten bei Ersatz regelmässig indizierter Verlaufsbildgebungen. (fa/um)

Autoren: Ricardo Leão 1, Maarten Albersen 2, Leendert H J Looijenga 3, Torgrim Tandstad 4, Christian Kollmannsberger 5, Matthew J Murray 6, Stephane Culine 7, Nicholas Coleman 8, Gazanfer Belge 9, Robert J Hamilton 10, Klaus-Peter Dieckmann 11, Korrespondenz: 1 Department of Urology, Hospital de Braga, Hospitais CUF, Faculty of Medicine, University of Coimbra, Coimbra, Portugal. 2 Department of Urology, University Hospitals Leuven, Leuven, Belgium. 3 Princess Máxima Center for Pediatric Oncology, Utrecht, The Netherlands. 4 The Cancer Clinic, St. Olav’s University Hospital, Trondheim, Norway. 5 Department of Medicine, Medical Oncology Division, BC Cancer, Vancouver Centre, University of British Columbia, Vancouver, Canada. 6 Department of Pathology, University of Cambridge, Cambridge, UK; Department of Paediatric Haematology and Oncology, Cambridge University Hospitals NHS Foundation Trust, University of Cambridge, Cambridge, UK. 7 Department of Medical Oncology, Hôpital Saint-Louis, AP-HP, Paris, France; Paris-Diderot University, Paris, France. 8 Department of Pathology, University of Cambridge, Cambridge, UK; Department of Histopathology, Cambridge University Hospitals NHS Foundation Trust, Cambridge, UK. 9 Faculty of Biology and Chemistry, University of Bremen, Bremen, Germany. 10 Department of Surgical Oncology, Princess Margaret Cancer Centre, Toronto, Canada. 11 Department of Urology, Asklepios Klinik Altona, Hamburg, Germany. Electronic address: dieckmannkp@t-online.de. Studie: Circulating MicroRNAs, the Next-Generation Serum Biomarkers in Testicular Germ Cell Tumours: A Systematic Review, Quelle: Eur Urol. 2021 Oct;80(4):456-466.doi: 10.1016/j.eururo.2021.06.006. Epub 2021 Jun 24. Web: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0302283821018121?via%3Dihub

Kommentar

Die sehr ausführliche Arbeit von Leão et al liefert eine übersichtliche Zusammenfassung des aktuellen Wissenstandes hinsichtlich miR in der Diagnostik und Nachsorge der TGCT. Insbesondere dem Cluster miR-371a 3p scheint dabei eine wichtige Rolle in Zukunft zukommen zu können. Es bleibt allerdings anzumerken, dass zumindest mit dem Cluster allein keine Teratome diagnostiziert werden können und aktuelle Evidenz hauptsächlich auf retrospektiven Studien basiert, wobei aktuell prospektive Arbeiten laufen auf deren Ergebnisse wir gespannt sein dürfen.(fa)

Autor: Dr. med. Fabian Aschwanden, Assistenzarzt Lucerner Kantonspital