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Fachverlag und Nachrichtenagentur

Einfluss einer verzögerten radikalen Prostatektomie nach aktiver Überwachung auf des Rezidivverhalten

PROSTATE CANCER San Francisco – Die aktive Überwachung (AS) von Prostatakrebs (PCa) beinhaltet regelmässige Überwachung auf Krankheitsprogression. Ziel ist es, unnötige Behandlungen zu vermeiden und gleichzeitig eine angemessene und rechtzeitige Behandlung für diejenigen sicherzustellen, bei denen die Krankheit fortschreitet. AS hat sich als Standardversorgung für low-risk (Gleason-Grad 1, GG 1) PCa etabliert. Gegner befürchten, dass eine anfängliche Unterschätzung und Verzögerung der endgültigen Behandlung bei Patienten mit GG 2 zu nachteiligen Ergebnissen führen kann. Die vorliegende Studie von Kevin Shee et al. aus dem Department of Urology der University of California-San Francisco sollte evaluieren, ob der Zeitpunkt für die endgültige Behandlung von GG 2 PCa, entweder sofort oder nach anfänglicher AS, die Rezidivrate nach radikaler Prostatektomie (RP) beeinflusst. Die untersuchten Teilnehmer wurden zwischen 2000 und 2020 mit cT1–2N0/xM0/x, prostataspezifischem Antigen (PSA) <20 ng/ml und GG 1–2 PCa diagnostiziert und erhielten sofortige RP bei Diagnose von GG 2 oder aber AS bei GG 1, gefolgt von verzögerter RP bei Hochstufung auf GG 2. Ergebnisparameter war das rezidivfreie Überleben (RFS) nach der Operation, wobei ein Rezidiv entweder als biochemisches Versagen (2 PSA-Messungen >0,2 ng/ml) oder als zweite Behandlung definiert wurde. Multivariable Cox-Proportional-Hazards-Regressionsmodelle wurden verwendet, um Zusammenhänge zwischen dem Zeitpunkt für die endgültige RP und dem Rückfallrisiko zu berechnen, adjustiert für das Alter bei der Diagnose, den Prozentsatz positiver Biopsien (PPC), PSA-Dichte, PSA vor RP, Jahr der Diagnose, chirurgische Resektionsränder, genomischer Risikoscore (Decipher) und Befunde der Prostata-MRT. Von den 1.259 Männern, die die Einschlusskriterien erfüllten, erhielten 979 eine sofortige RP nach der Diagnose von GG 2, 190 erhielten eine RP innerhalb von zwölf Monaten nach der Hochstufung auf GG 2 in der AS und 90 Männer erhielten eine RP mehr als zwölf Monate nach der Hochstufung auf GG 2. Der mediane PPC bei der Diagnose betrug 31,0% (IQR 17,0 bis 50,0%). Die meisten Männer, die eine MRT erhielten, zeigten eine Läsion mit einem PIRADS-Wert von 4 bis 5 (277; 85%). Die mediane Zeit bis zur Hochstufung der Biopsie betrug 25,5 Monate (IQR 13,0 bis 52,0) bei «verzögerter RP ≤12 Monate“ und 17,0 Monate (IQR 11,0 bis 44,0) bei «verzögerter RP >12 Monate». Die mediane Zeit von der Biopsie bis zur RP betrug 3,5 Monate (IQR 2,5 bis 4,9) für sofortige RP, 4,2 Monate (IQR 2,9 bis 6,3) für «verzögerte RP ≤12 Monate“ und 28,7 Monate (IQR 18,2 bis 41,2) für «verzögerte RP >12 Monate». Die 5-Jahres-RFS-Raten betrugen 81% für die sofortige RP-Gruppe, 80% für die «verzögerte RP ≤12 Monate» und 70% für die Gruppe «verzögerte RP >12 Monate» (univariate Log-Rank p = 0,03). Cox multivariable Regression zeigte schliesslich keinen Unterschied mehr in den RFS-Ergebnissen zwischen sofortiger RP bei GG 2-Erkrankung und verzögerter RP nach Hochstufung in der AS, egal wie lange die Wartezeit war. Wie die Autoren in der elektronischen Vorabpublikation im Dezember 2023 beim Fachjournal EUROPEAN UROLOGY ONCOLOGY darstellen, waren jedoch der PPC (Hazard Ratio [HR] pro 10% Zunahme 1,08; 95% Konfidenzintervall [KI] 1,02 bis 1,15; p = 0,01) und das PSA vor der RP (HR 1,06; 95% KI 1,03 bis 1,09; p < 0,01) signifikant mit dem Rezidivrisiko verbunden. (cw)

Autoren: Shee K, Cowan JE, Washington SL 3rd, Shinohara K, Nguyen HG, Cooperberg MR, Carroll PR. Korrespondenz: Kevin Shee, Department of Urology, University of California-San Francisco, San Francisco, CA, USA. E-Mail: kevin.shee@ucsf.edu Studie: The Impact of Delayed Radical Prostatectomy on Recurrence Outcomes After Initial Active Surveillance: Results from a Large Institutional Cohort. Quelle: Eur Urol Oncol. 2023 Dec 5:S2588-9311(23)00275-4. doi: 10.1016/j.euo.2023.11.011. Epub ahead of print. PMID: 38057193. Web: https://euoncology.europeanurology.com/article/S2588-9311(23)00275-4/fulltext

KOMMENTAR In dieser Studie wurden Langzeitdaten zu den Ergebnissen einer grossen AS-Kohorte verwendet, um festzustellen, ob der Zeitpunkt der RP oder andere klinisch-demografische Merkmale die Rezidivraten nach der Operation beeinflussen. Es wurde gezeigt, dass eine verzögerte RP nach einer AS-Periode bei GG 2 (sowohl ≤12 Monate als auch >12 Monate nach der Hochstufung auf GG 2) in der untersuchten Kohorte sicher war und nicht zu nachteiligen Rezidivergebnissen führte. Vielmehr waren PPC und PSA vor der RP, aber nicht der Zeitpunkt der endgültigen Operation nach Hochstufung auf GG 2 mit dem Risiko eines Rezidivs nach RP in der multivariablen Analyse verbunden. Diese Ergebnisse unterstützen die Sicherheit der AS und der verzögerten endgültigen Therapie für eine Untergruppe von Patienten mit GG 2. Dennoch weist diese Studie einige Einschränkungen auf. Die Studienkohorte umfasst Patienten, die in einem einzigen akademischen Zentrum in Kalifornien behandelt wurden, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Institutionen begrenzen könnte. Eine weitere Einschränkung besteht in dem Fehlen einheitlicher Protokolle für die aktive Überwachung (AS) und der Einbeziehung von genomischem Testen, was in der Schweiz sicherlich noch nicht so weit verbeitet ist. Dennoch filtert sich heraus, dass möglicherweise in Zukunft auch in der Schweiz die AS von Patienten mit GG 2, mit einem niedrigen PSA-Wert und niedrigem PPC möglicherweise Anwendung finden könnte, zunächst für ein sehr selektioniertes Patientengut.

Autor: Dr. med. Christoph Würnschimmel, Oberarzt Luzerner Kantonsspital