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Fachverlag und Nachrichtenagentur

Retrospektive Multicenter-Studie zur Cut-off-Zeit für die Operation und Vorhersage der Orchiektomie bei Hodentorsion

TESTIS Lyon – Die Festlegung einer oberen Zeitgrenze, um eine Orchiektomie bei einer Hodentorsion zu vermeiden, beruht historisch auf kleinen Patientenserien. Das Ziel dieser gross angelegten Studie der französischen Forscher um Emilien Seizilles de Mazancourt aus der Klinik für Urology and Transplantation Surgery am Edouard Herriot Hospital in Lyon,war es, die etablierten Zeitgrenzen zu prüfen. Hierzu wurde eine retrospektive multizentrische Studie (TORSAFUF-Kohorte, «surgical exploration for torsion of spermatic cord suspicion and risk factors for unnecessary surgery») an Patienten mit Verdacht auf Hodentorsion zwischen 2005 und 2019 durchgeführt. Alle Patienten über 12 Jahre, bei denen der Verdacht auf eine Hodentorsion in 14 Universitätskliniken in Frankreich bestand, wurden eingeschlossen (n = 2.986). Patienten, für die keine Daten zur Schmerzdauer verfügbar waren (n = 923) oder bei denen die endgültige Diagnose keine Hodentorsion war (n = 807), wurden ausgeschlossen. Der primäre Endpunkt war die Orchiektomie. Die sekundären Endpunkte waren die Überlebenszeit des Hodens und die Vorhersage der Orchiektomie anhand der Schmerzdauer. Es wurden 1.266 Patienten eingeschlossen, mit einer Orchiektomierate von 12% (150 Patienten). Das durchschnittliche Alter betrug 21,5 Jahre in der «Erhaltungsgruppe» und 23,7 Jahre in der «Orchiektomiegruppe» (p = 0,01). Die mittlere Zeit vom Beginn der Schmerzen bis zur Operation betrug 5,5 (IQR = 5) Stunden in der «Erhaltungsgruppe» und 51,1 (IQR = 70) Stunden in der «Orchiektomiegruppe» (p < 0,0001). Das Risiko einer Orchiektomie stieg nach einer Zeitgrenze von 6 Stunden und 30 Minuten an. In der in der Dezember-Ausgabe 2023 beim Fachjournal WORLD JOURNAL OF UROLOGY erschienenen Studie, geben die Autoren an, dass ein Zeitverzug von 15 Stunden und 30 Minuten bei der Schmerzdauer als Vorhersage für die Orchiektomie festgestellt wurde (Sensitivität: 0,81; Spezifität: 0,87). (cw)

Autoren: Seizilles de Mazancourt E, Khene Z, Sbizerra M, Kaulanjan K, Plassais C, Bardet F, Pinar U, Duquesne I, Margue G, Ali Benali N, Berchiche W, Gaillard C, Wandoren W, Manuguerra A, Dang VT, Mauger de Varennes A, Hulin M, Gaillard V, Dominique I, Michiels C, Grevez T, Felber M, Vallee M, Gondran-Tellier B, Freton L, Lannes F, Pradère B, Matillon X. Korrespondenz: Emilien Seizilles de Mazancourt, Urology and Transplantation Surgery, Edouard Herriot Hospital, Lyon, France Univ Lyon, Université Claude Bernard Lyon 1, Lyon, France. E-Mail: emilien.mazancourt@hotmail.fr Studie: Cut-off time for surgery and prediction of orchiectomy in spermatic cord torsion: a retrospective multicentric study over 15 years. Quelle: World J Urol. 2023 Dec;41(12):3789-3794. doi: 10.1007/s00345-023-04671-x. Epub 2023 Oct 28. PMID: 37897515. Web: https://link.springer.com/article/10.1007/s00345-023-04671-x

KOMMENTAR Die Schmerzdauer kann bekanntermassen die Wahrscheinlichkeit der Rettung der Hoden und der Durchführung einer Orchiektomie vorhersagen und die Autoren liefern mit ihrer grossen Studie eine «cut-off» Zeit von 6h und 30 Minuten. Hinsichtlich der Datenqualität: Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige Patienten der Kohorte partielle Torsionen oder Torsionen mit anschliessender Entdrehung hatten, was die geretteten Patienten mit sehr langen Verzögerungen erklären könnte. Zudem enthält die Studie keine Informationen über später auftretende Atrophie, die zuvor beschrieben wurde. Aufgrund des retrospektiven Charakters der Studie wurde ebenso keine systematische Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Eine schnelle Intervention sollte natürlich unabhängig von der seit dem Beginn der Schmerzen verstrichenen Zeit empfohlen werden.

Autor: Dr. med. Christoph Würnschimmel, Oberarzt Luzerner Kantonsspital