
Visuelle und optische Reize als Umweltfaktoren bei der Entstehung von Myopie
MYOPIA Rochester – Der alarmierende Anstieg der Prävalenz von Myopie in den letzten Jahrzehnten wird zunehmend mit Umweltveränderungen in Verbindung gebracht, die insbesondere junge Menschen betreffen. Visuelle Szenen werden durch die optischen Komponenten des Auges auf die Netzhaut projiziert und dort von Photorezeptoren aufgenommen. Daraus ergibt sich eine räumlich, zeitlich und chromatisch definierte «visuelle Kost» (visual diet), die für eine korrekte Emmetropisierung entscheidend ist. Im sich entwickelnden Auge können diese Signale eine Kaskade auslösen, die in einer übermässigen Verlängerung der Achse und somit in der Entwicklung einer Myopie mündet.
Susana Marcos vom Center for Visual Science am Flaum Eye Institute der University of Rochester im US-Bundesstaat New York analysiert in ihrer Arbeit die strukturellen und optischen Grundlagen, die für die Konstruktion dreidimensionaler, longitudinaler Augenmodelle bei Emmetropen und sich entwickelnden Myopen erforderlich sind. Diese Weitwinkel-Augenmodelle – sowohl im entspannten als auch im akkommodierten Zustand – sollen ein besseres Verständnis der anatomischen und funktionellen Veränderungen zu Beginn der Myopie ermöglichen. Darüber hinaus könnten sie genutzt werden, um potenzielle Ursache-Wirkungs-Beziehungen in der Myopieentwicklung zu untersuchen. Refraktions- und altersabhängige Augenmodelle bieten eine Plattform zur Simulation neuartiger optischer Therapien zur Myopiekontrolle, insbesondere hinsichtlich der dadurch entstehenden Unschärfemuster auf der Netzhaut. Visuelle Reize – räumlich, zeitlich und chromatisch – werden im Kontext dieser Modelle als mögliche emmetropisierende Signale betrachtet.
Die Autorin befasst sich ausserdem mit bestehenden Hypothesen zu den Mechanismen der Bilddefokussierung und deren Zusammenhang mit dem axialen Augenwachstum. Für die Entwicklung prädiktiver Modelle sind umfassende, multidimensionale Datensätze erforderlich, deren Erhebung durch vollquantitative Methoden zur geometrischen, biometrischen und optischen Analyse des Auges sowie durch kontinuierliche Messung physikalischer Umweltmerkmale erfolgen muss.
Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass die Dauer des Aufenthalts im Freien ein Schlüsselfaktor in der Myopieentwicklung ist, hebt die Autorin die Relevanz der Erforschung lichtvermittelter Signalwege hervor. Im Fokus stehen dabei dopaminerge Signalprozesse in der Retina, die Rolle des Melanopsins und die Auswirkungen zirkadianer Dysregulation – Mechanismen, die im modernen Lebensstil durch künstliches Licht und chronische Nutzung digitaler Bildschirme potenziell gestört werden.
In der im Juni 2025 im Fachjournal INVESTIGATIVE OPHTHALMOLOGY & VISUAL SCIENCE veröffentlichten Arbeit betont die Autorin, dass ein besseres Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Umweltfaktoren – wie Lichtintensität, räumlicher Frequenzverteilung, Unschärfe und spektralen Eigenschaften – und den optischen Filterfunktionen des Auges dabei helfen könnte, zentrale myopiebildende Signale zu identifizieren. Darüber hinaus liessen sich auf diese Weise komplexe, multifaktorielle Mechanismen aufdecken, die für ein gezieltes Myopiemanagement von Bedeutung sind. Ein beigefügter Anhang diskutiert offene Fragestellungen und zukünftige Forschungsperspektiven in der Myopieforschung unter Einbezug des aktuellen Expertenwissens. (bs)
Autorin: Marcos S. Korrespondenz: Susana Marcos, University of Rochester, G-4110 Med. School, Box 319, Rochester, NY 14627-0270, USA. E-Mail: smarcos2@ur.rochester.edu Studie: Optical and Visual Diet in Myopia. Quelle: Invest Ophthalmol Vis Sci. 2025 Jun 5;66(7):3. doi: 10.1167/iovs.66.7.3. PMID: 40471573; PMCID: PMC12151263. Web: https://iovs.arvojournals.org/article.aspx?articleid=2803082