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Fachverlag und Nachrichtenagentur

Ergebnisse des 22-jährigen Follow-Up der Göteborg-1-Studie zum Prostatakrebs-Screening

PROSTATE CANCER Göteborg – Das Ziel der vorliegenden Studie von Maria Frånlund aus dem Department of Urology am Institute of Clinical Sciences der Sahlgrenska Academy an der University of Gothenburg, Schweden, und der beteiligten Kollegen war es, die Nachbeobachtungsdaten der Göteborg-1-Screening-Studie erneut aufzuarbeiten und nun aktuelle 22-Jahres-Follow-up-Analysen zu präsentieren. Im Dezember 1994 wurden 20.000 Männer der Jahrgänge 1930 bis 1944 nach dem Zufallsprinzip aus dem schwedischen Bevölkerungsregister entnommen und randomisiert (1:1) entweder in eine Screening-Gruppe (SG) oder in eine Kontrollgruppe (CG) eingeteilt. Die Männer in der SG wurden wiederholt im zweijährlichen Rhythmus zum PSA-Test eingeladen. Dies ergab drei Einladungen für die älteste Kohorte (geboren 1930 bis 1931) und zehn Einladungen für die jüngste Kohorte (geboren 1944). Das Endalter des Screenings belief sich im Median auf 69 Jahre (67 bis 71). Teilnehmer mit einem PSA-Wert oberhalb des korrigierten WHO-Cut-off (3,4 ng/ml in 1995 bis 1998, 2,9 ng/ml 1999 bis 2004 und 2,5 ng/ml nach 2004) wurden zusätzlich zu einer klinischen Untersuchung einschliesslich systematischer Prostatabiopsie eingeladen. Männer mit einem PSA-Wert unter dem Cut-off-Wert oder einer negativen Biopsie wurden nach 2 Jahren erneut eingeladen. Die Männer der CG wurden nicht zum PSA-Screening eingeladen, aber opportunistische Tests waren möglich. In der SG nahmen 7.635 Männer (77%) mindestens einmal teil. Insgesamt wurden 57.983 Einladungen an Männer verschickt und 34.646 PSA-Tests wurden im Rahmen der Studie durchgeführt. Von den 7.635 Männern, die am Programm teilnahmen, hatten 2.672 (35%) mindestens einmal einen erhöhten PSA-Wert und 2.525 Männer (33%) unterzogen sich mindestens einer Biopsie. Die Einladung zur Studie führte zur Diagnose von 1.046 Prostatakarzinomen in der SG-Gruppe. In den 22 Jahren der Nachbeobachtung wurden in der SG weitere 482 Krebserkrankungen diagnostiziert, dies aber ausserhalb des Screening-Programms. Somit ergaben sich in der SG insgesamt 1.528 Prostatakarzinom-Diagnosen. In der CG ergaben sich 1.124 Prostatakarzinom-Diagnosen. Nach 22 Jahren betrug die kumulative Inzidenz 18,6% in der SG und 14,3% in der CG, mit einem absoluten Unterschied von 4,3% (95% Konfidenzintervall [KI] 3,1 bis 5,5). Unter Berücksichtigung der konkurrierenden Risiken verringerte sich die Inzidenz auf 15,9% und 11,8% in der SG beziehungsweise CG. Insgesamt starben 112 Männer am Prostatakarzinom in der SG, im Vergleich zu 158 in der CG (Risk Ratio 0,71; 95% KI 0,55 bis 0,91; p = 0,005). Das kumulative Risiko eines prostatakarzinom-bezogenen Todesfalles nach 22 Jahren betrug 1,55% in der SG und 2,13% in der CG, was einer absoluten Verringerung um 0,59% entspricht (95% KI 0,15 bis 1,03). Im Vergleich zur CG wies die SG eine Prostatakarzinom-Inzidenz-Risk-Ratio von 1,42 (95% KI 1,31 bis 1,53) und eine Prostatakarzinom-Mortalitäts-Risk-Ratio von 0,71 (95% KI 0,55 bis 0,91) auf. Schliesslich ergaben sich in der Publikation im August 2022 beim JOURNAL OF UROLOGY für die number needed to invite und die number needed to diagnose (um einen Prostatakarzinom-bezogenen Todesfall zu verhindern) Werte von 221 beziehungsweise 9. Hierfür sei auf die angefügte Tabelle verwiesen, die eine genauere Aufgliederung der Prostatakarzinom-Diagnosen aufstellt. (CW)

 

Autoren: Frånlund M, Månsson M, Godtman RA, Aus G, Holmberg E, Kollberg KS, Lodding P, Pihl CG, Stranne J, Lilja H, Hugosson J. Korrespondenz: Jonas Hugosson, Department of Urology, Clinical Sciences, Sahlgrenska University Hospital, 413 45 Göteborg, Sweden. E-Mail: jonas.hugosson@surgery.gu.se Studie: Results from 22 years of Followup in the Göteborg Randomized Population-Based Prostate Cancer Screening Trial. Quelle: J Urol. 2022 Aug;208(2):292-300. doi: 10.1097/JU.0000000000002696. Epub 2022 Apr 15. PMID: 35422134; PMCID: PMC9275849. Web: https://www.auajournals.org/doi/10.1097/JU.0000000000002696

Kommentar: Diese Langzeitbeobachtung zum Screening im Göteborg-1-Arm zeigt eindeutig, dass prostatakarzinom-bezogene Todesfälle durch ein Screening-Programm um etwa 30% reduziert werden könnten. Insbesondere die number needed to diagnose von 9 zeigt jedoch, dass die Göteborg-1-Studie unter einer Überdiagnostik gelitten hat. Hier möchte ich nochmals auf die beigefügte Tabelle (Tab. X) verweisen, die relativ klar zeigt, dass die Rate von low-risk Prostatakarzinomen in der Kohorte für heutige Verhältnisse unakzeptabel hoch ist. Dieses lässt sich jedoch relativ einfach dadurch erklären, dass der Grossteil der eingeschlossenen Patienten den «alten» Algorithmus zur Diagnosestellung erfahren hatte, der ausschliesslich abhängig vom PSA-Wert die Indikation zu einer systematischen Biopsie gestellt hat. Wie aus den vorherigen Artikeln ersichtlich, ist dieses Risiko mutmasslich durch die viel strengere Indikation zur Prostatabiopsie drastisch gesunken (es seien hier nur die Stichworte «PSA+MRI basiertes Screening», «Stockholm-3-Test» oder «Biopsie nur bei auffälligem MRI» erwähnt).

Autor: Dr. med. Christoph Würnschimmel, Oberarzt Luzerner Kantonsspital