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Fachverlag und Nachrichtenagentur

SWISS OPHTHAL

Neue Arbeitsdefinition für die cerebrale/kortikale Sehbehinderung bei Kindern

PEDIATRICS & Strabismus Los Angeles – Cerebrale/kortikale Sehbehinderung (CVI, cerebral/cortical visual impairment) hat sich in den USA und anderen Industrieländern als führende Ursache für Sehbehinderungen im Kindesalter etabliert. Im Rahmen des Strategischen Plans «NEI Vision for the Future» aus dem Jahr 2021 erkannte das National Eye Institute (NEI) CVI als vorrangiges Forschungsgebiet an. In Zusammenarbeit mit dem Eunice Kennedy Shriver National Institute of Child Health and Human Development sowie dem National Institute of Neurologic Disorders and Stroke, beide Teil der National Institutes of Health (NIH), organisierte das NEI im November 2023 einen Workshop zur CVI-Thematik.

Ein Expertengremium aus klinisch tätigen Fachleuten mit Erfahrung in der Diagnose von CVI wurde einberufen, um eine Arbeitsdefinition für diese Erkrankung zu entwickeln. Dabei identifizierten die Autoren um Melinda Y. Chang vom Children’s Hospital Los Angeles, USA, fünf zentrale Merkmale:

  1. CVI umfasst ein Spektrum von Sehbeeinträchtigungen, die durch eine zugrunde liegende Hirnanomalie verursacht werden. Diese beeinträchtigt die Entwicklung der visuellen Verarbeitungspfade und äussert sich in Defiziten der Sehfunktion sowie des funktionalen Sehens.
  2. Die visuelle Dysfunktion bei CVI ist ausgeprägter als es durch etwaige begleitende okuläre Erkrankungen allein erklärbar wäre.
  3. Die Sehbeeinträchtigung kann sich in CVI als Störung der unteren oder höheren afferenten visuellen Funktionen oder in einer Kombination beider manifestieren, was zu charakteristischen Verhaltensweisen bei den betroffenen Personen führt.
  4. Obwohl CVI häufig mit anderen neuroentwicklungsbedingten Störungen einhergeht, handelt es sich primär nicht um eine Sprach-, Lern- oder soziale Kommunikationsstörung.
  5. Die zugrunde liegende neurologische Schädigung des sich entwickelnden Gehirns kann unbemerkt bleiben oder erst später im Leben diagnostiziert werden.

Die Ergebnisse dieser Initiative wurden im Dezember 2024 in der Fachzeitschrift OPHTHALMOLOGY veröffentlicht. Die Autoren betonen die Notwendigkeit weiterer Arbeiten, um einen Konsens hinsichtlich der Nomenklatur, diagnostischer Kriterien sowie Strategien zur frühzeitigen Identifikation und Intervention zu erzielen.

Das NIH entwickelt derzeit ein CVI-Register, um relevante demografische und klinische Daten prospektiv und longitudinal zu erfassen. Dieses Register soll zukünftige Forschungsfragen informieren und Einblicke in die Planung klinischer Studien im Bereich CVI geben. (bs)

Autoren: Chang MY, Merabet LB; CVI Working Group. Korrespondenz: Melinda Y. Chang, MD, 4650 Sunset Boulevard, Mailstop No. 88, Los Angeles, CA 90027, USA. E-Mail: melinda.y.wu@gmail.com Studie: Special Commentary: Cerebral/Cortical Visual Impairment Working Definition: A Report from the National Institutes of Health CVI Workshop. Quelle: Ophthalmology. 2024 Dec;131(12):1359-1365. doi: 10.1016/j.ophtha.2024.09.017. PMID: 39572128; PMCID: PMC11588029. Web: https://www.aaojournal.org/article/S0161-6420(24)00565-7/fulltext